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BERLIN (dpa-AFX) - Bundesfinanzminister Christian Lindner hat seinen Kurs in der Entlastungspolitik der Bundesregierung verteidigt. "Was wir tun können, das ist ein Stoßdämpfer", sagte der FDP-Chef am Donnerstag im Deutschlandfunk. "Wir können also Härten abfedern, Strukturbrüche verhindern, aber wir können nicht dauerhaft das Wohlstandsniveau mit staatlichem Geld, möglicherweise sogar mit Schulden, sichern."

Kritik an seinen Plänen für Steuerentlastungen trat er entgegen. "Das ist sozial ausgewogen", sagte der FDP-Chef am Mittwochabend im ZDF-"heute journal". "Die starken Schultern werden weiter auch eine große Last tragen. Aber sie werden eben nicht stärker belastet. Und vor allen Dingen sorgen wir dafür, dass nicht Menschen, die in Wahrheit keine breiten Schultern haben, durch die Inflation plötzlich mehr Steuern zahlen." Es sei eine "reine Inflationsanpassung".

Lindner hatte seine Pläne am Mittwoch vorgestellt. 48 Millionen Bürger sollen ab dem kommenden Jahr profitieren, insgesamt geht es um mehr als zehn Milliarden Euro. Prozentual werden Geringverdiener in dem Vorschlag deutlich stärker entlastet als Topverdiener - in absoluten Zahlen sieht das aber anders aus. Die beiden Koalitionspartner Grüne und SPD halten das für sozial unausgewogen.

Der Minister argumentierte im ZDF damit, dass die vorgeschlagenen Steuerentlastungen gedeckelt seien. "Bei 62 000 Euro Jahreseinkommen endet die zusätzliche Entlastung - beziehungsweise ab dort gibt es keinen zusätzlichen Vorteil mehr." Das sei etwa das 1,5-fache des mittleren Einkommens in Deutschland. Die maximale Steuerentlastung für einen Einzelnen liegt nach Lindners Plänen im kommenden Jahr bei 479 Euro.

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, bezeichnete die Pläne in der ARD als "sehr unausgewogen". "70 Prozent davon kommen den 30 Prozent mit den höchsten Einkommen zugute", kritisierte er in den ARD-"tagesthemen". "Menschen mit geringen Einkommen, die keine oder wenig Einkommensteuer zahlen, bekommen praktisch gar nichts davon." Diese Menschen seien von der Inflation aber besonders betroffen.

"Eine Reform, bei der nominal die Besserverdienenden mehr gewinnen, kommt einfach zum falschen Zeitpunkt", sagte die "Wirtschaftsweise" Veronika Grimm der "Rheinischen Post" (Donnerstag). Prinzipiell sei es zwar richtig, die sogenannte kalte Progression auszugleichen und die Mitte der Gesellschaft angesichts der hohen Inflation zu entlasten. "Andererseits brauchen wir zurzeit eine Entlastung vorwiegend der unteren und mittleren Einkommen, die die Härten durch die Preissteigerungen nicht allein tragen können."

Dass Lindner versuche, seine Pläne als "sozial ausgewogenes Entlastungspaket" zu verkaufen, sei "schlichtweg ein Witz", sagte der Co-Vorsitzende der Linken, Martin Schirdewan, dem Bayerischen Rundfunk. "Das ist reine Klientelpolitik" Um einkommensstarke Schichten stärker zu beteiligen, schlug der Linken-Chef eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes vor. "Wir fordern als Einkommensgrenze des Spitzensteuersatzes eine Verschiebung nach oben auf 70 000 Euro. Dann aber eine kräftige Erhöhung des Spitzensteuersatzes von derzeit 42 auf 53 Prozent - wie zu Zeiten von Helmut Kohl."

SPD-Chef Lars-Klingbeil sieht noch Abstimmungsbedarf in der Koalition über die Entlastungspläne. "Im Detail" habe er andere Vorstellungen als der Finanzminister, sagte Klingbeil im ZDF-"Morgenmagazin". Es sei aber ein wichtiges Zeichen, dass man viel Geld in die Hand nehme. "Wir kümmern uns jetzt um diejenigen, die von dieser Krise hart betroffen sind, wir lassen die Menschen nicht im Stich."

FDP-Chef Lindner verwies auf andere Maßnahmen der Ampel-Koalition, die auf Menschen mit geringem Einkommen abzielten. So nannte er die bereits beschlossenen Entlastungspakete mit einer Einmalzahlung für Hartz-IV-Empfänger und einem Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger. Er erinnerte zudem an Koalitionspläne für eine Reform des Wohngelds und den Umbau von Hartz IV zu einem neuen "Bürgergeld": "Um die Menschen, die ihre Bude nicht geheizt bekommen, da kümmern wir uns ja mit dem neuen Wohngeld, und es gibt Bürgergeld für die Menschen in Grundsicherung."

Lindners Pläne zielen auf einen Abbau der "kalten Progression". Damit ist eine Art schleichende Steuererhöhung gemeint, wenn Gehaltserhöhungen durch die Inflation aufgefressen werden, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führen. Dann fallen höhere Steuern an, obwohl die Kaufkraft real gar nicht steigt. Zusätzlich zu einer Anpassung des Einkommensteuertarifs sollen auch das Kindergeld und der Kinderfreibetrag erhöht werden.

Der Deutsche Städtetag warnte vor Steuerausfällen in Milliardenhöhe und forderte einen Ausgleich für Kommunen. Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy sagte der Deutschen Presse-Agentur, mit Lindners Plänen gegen die kalte Progression seien auch Steuerausfälle für die Kommunen von rund 4,2 Milliarden Euro in den Jahren 2023 und 2024 verbunden. "Diese Mittel fehlen dann in den städtischen Kassen, die schon durch Begleiterscheinungen des Ukraine-Kriegs und die Energiekrise gebeutelt sind und vor großen Haushaltsrisiken stehen."

Gleichzeitig seien so große Aufgaben wie mehr Investitionen in den Klimaschutz und in Busse und Bahnen zu stemmen, sagte Dedy. "Bund und Länder müssen deshalb sicherstellen, dass die Städte die dafür erforderlichen Mittel trotz Steuerentlastungen zur Verfügung gestellt bekommen."/sku/DP/zb