An dieser Stelle verweise ich auf einen Kommentar des Guardian Kolumnisten Simon Tisdall, der eine breite Leserschaft verdient.
Dieser Kommentar ist von Bedeutung, da er sich nicht in Einzelheiten verliert, sondern Zusammenhänge und Abstraktion bietet, die unverzichtbar sind, um das für das UK und Europa gegebene Risikopotential der US-Politik bezüglich des Themas der Selbstbestimmung im UK und in Europa voll zu erschließen. Demokratie setzt Selbstbestimmung voraus – wie viel Willfährigkeit ist tolerierbar?

Der Titel des Kommentars lautet:
„John Bolton doesn‘t want a trade deal with the UK – he wants to colonise us“
Link: https://www.theguardian.com/commentisfree/2019/aug/13/john-bolton-trade-deal-uk-colonise

Oberflächlichkeit in der Behandlung der dominanten Themen, ob politisch oder medial, politische Korrektheit nach den Mustern der Vergangenheit, eine weit verbreitete Usance im europäischen Diskurs mit den USA, und Desinteresse an der „Res Publica“ seitens der Öffentlichkeit sind die größten Risiken, denen wir in Europa ausgesetzt sind.
Das Risiko, dass europäische Politik auf dieser Basis den Interessen Dritter, aber nicht notwendig den eigenen Interessen gerecht wird, ist ausgeprägt.
Die Anfechtungen, denen Europa ausgesetzt ist, sollten ein Katalysator sein, dass Europa den Status der außenpolitischen Pubertät ablegt und erwachsen wird.
Ein integriertes Europa mit einer lauten Stimme (nicht einem disharmonischen Chor) in der Rolle des Mediators zwischen den Blöcken, der wie die Hanse den Handel für Wandel und kulturellen Austausch und damit Annäherung über Gemeinsamkeit einsetzt, um das Gut der internationalen Friedfertigkeit zu fördern, der auf  Regime-Change (=Aggression) auch aus kultureller Toleranz verzichtet, könnte einem vorschweben, könnte …

Nachdem der Begriff Friedfertigkeit gerade so locker aus der Feder floss, schweift der Blick auf eine wenig friedfertige Welt.
Der Konflikt in Hongkong schwelt und darf als explosiv bezeichnet werden. Das, was sich die USA an ausländischer Einmischung verbieten, wird seitens der USA gegenüber Dritten fleißig betrieben. Wir nehmen das zur Kenntnis.

Man darf bezüglich des Konflikts in Hongkong feststellen, dass dieser Konflikt der US-Politik des maximalen Drucks gegen Peking nicht widerspricht. Es ist beinahe das perfekte Timing, welch ein grandioser Zufall Ob der Vorwurf Pekings gerechtfertigt ist, dass die USA diesen Konflikt forcierten, lässt sich derzeit nicht sagen. Der Trackrecord der US-Außenpolitik (auch EU, Bannon & Co.) schließt diese Mutmaßung jedoch nicht vollständig aus.

In Italien kehrt in der Partei Lega etwas Nüchternheit ein.
In der Partei Lega nehmen kritische Stimmen bezüglich des durch Salvini betriebenen Bruchs der Koalition zu. Staatssekretär Giorgetti warnte, dass die Lega am Ende in der Opposition landen könnte.
Ja, Wahlen können riskant sein. Theresa May kann davon ein Lied singen.

Die deutsche Industrie befindet sich in der Rezession:
Hintergründe sind einerseits selbst verursachte Probleme (teure Energie dank amateurhaft organisierter Energiewende, Autoindustrie/Zulieferung, Mangel am Infrastrukturausbau) als auch die starke Präsenz in der Investitionsgüterindustrie, die durch die US-Geo- und Handelspolitik am stärksten betroffen ist.
Das ist an den Einkaufsmanagerindices in den letzten Monaten deutlich geworden. Die Daten der Produktion bestätigen das. Arbeitsmärkte haben bezüglich des Konjunkturzyklus eine nachlaufende Qualität.

Per Berichtsmonat Juni baute die deutsche Industrie 2000 Stellen auf knapp 5,7 Millionen Jobs ab. Damit kam es zum dritten Stellenabbau in Folge. Gleichwohl lag die Beschäftigung per Juni um 1,1% oder 61.000 Jobs höher als im Juni 2018.
Die Situation bezüglich der Beschäftigung ist in diesem Sektor noch nicht prekär. Die Betonung liegt auf dem Begriff „Noch“.


Datenpotpourri der letzten 24 Stunden:

USA: Daten waren zumeist besser als prognostiziert!
Der NY Fed Manufacturing Index stieg per August von 4,30 auf 4,80 Punkte. Die Prognose lag bei 3,00 Zählern.
Der Philadelphia Fed Business Index sank per August lediglich von 21,8 auf 16,8 Punkte (Prognose 10,0).
Die Produktivität nahm per 2. Quartal laut vorläufiger Berechnung um 2,3% (Prognose 1,5%) nach zuvor 3,5% zu.
Die US-Einzelhandelsumsätze legten auch wegen des „Amazon Prime Day“ per Juli um 0,7% im Monatsvergleich zu (Prognose 0,3%, Vorjahr 0,6%) nach zuvor 0,3% (revidiert von 0,4%) zu. Im Jahresvergleich kam es zu einem Anstieg um 3,45% nach 3,29% (revidiert von 3,42%). Diese Datenreihe ist nicht inflationsbereinigt.
Die Industrieproduktion sank per Juli im Monatsvergleich um 0,2% (Prognose +0,1%) nach zuvor 0,2% (revidiert von 0,0%). Im Jahresvergleich lag der Anstieg bei nur 0,48% nach zuvor 1,15% (revidiert von 1,32%). Damit wurde der niedrigste Wert seit Februar 2017 markiert. Seit September 2018 gehen die Anstiege ausgehend von 5,4% im Jahresvergleich zurück. Man kann hier eine Korrelation zum Handelskonflikt erkennen, wenn man es will.



© Reuters

Die Kapazitätsauslastung stellte sich im Juli auf 77,5% (Prognose 77,8%) nach zuvor 77,8% (revidiert von 77,9%) und markierte den Tiefpunkt seit Oktober 2017.
Die US-Lagerbestände verzeichneten per Juni keine Veränderung im Monatsvergleich (Prognose 0,1%) nach zuvor 0,3%.
Der NAHB Housing Market Index legte per August von zuvor 65 auf 66 Punkte zu.

Russland: Grundsätzlich überzeugend!
Die Devisenreserven legten in der Berichtswoche per 9. August von 516,8 Mrd. USD auf 527,1 Mrd. USD zu und markierten den höchsten Stand seit Mai 2013!
Die Industrieproduktion stieg per Juli im Jahresvergleich um 2,8% (Prognose 3,0%) nach zuvor 3,3%. Das wären Wunschzahlen für Deutschland! Seit Anfang 2018 wächst dieser Sektor in Russland kontinuierlich zwischen 1% - 4,5% im Jahresvergleich.


Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.1020 – 40 negiert den positiven Bias des EUR.
Viel Erfolg!


Gastbeitrag von Folker Hellmeyer, Chefanalyst SOLVECON INVEST

www.solvecon-invest.de

Herr Hellmeyer hat am Finanzmarkt ursprünglich als Devisenhändler begonnen. Für Deutsche Bank und Helaba war er in Hamburg, London und Frankfurt tätig. Von 2002 bis 2017 war Herr Hellmeyer Chefanalyst der Bremer Landesbank und hat mit klaren Worten die Entwicklungen an den Börsen und im Finanzmarkt¬geschehen kommentiert.