Die Märkte rücken enger zusammen
Die Börsenkonzentration, gemessen am Anteil der Marktkapitalisierung, der von den größten Unternehmen (Top 10) gehalten wird, hat sich in den USA innerhalb eines Jahrzehnts verdoppelt: von 14 % im Jahr 2013 auf 27 % im Jahr 2023.
Laut Daten von Morgan Stanley entfiel im Jahr 2023 mehr als die Hälfte der Kursgewinne des S&P 500 – der Index legte insgesamt um 26,3 % zu – allein auf sieben Unternehmen, die sogenannten „Magnificent Seven“.
Dieser Trend ist jedoch keineswegs auf die Vereinigten Staaten beschränkt: Auch der MSCI All Country World Index weist eine ähnliche Tendenz auf und erreichte Ende März 2024 eine Konzentrationsquote von 20 %.
Eine Konzentration mit Fundament
Die zunehmende Marktkonzentration ist nicht völlig unbegründet. Im Jahr 2023 erwirtschafteten die zehn größten börsennotierten Unternehmen 69 % des gesamten ökonomischen Gewinns des Marktes, während sie „nur“ 27 % der gesamten Marktkapitalisierung ausmachten. Diese Unternehmen zeichnen sich durch außerordentlich hohe Kapitalrenditen (ROIC – Return on Invested Capital) aus: Im Durchschnitt betrug dieser Wert für die Top 10 stolze 27,4 %, gegenüber lediglich 10,1 % im Russell 3000. Dies verdeutlicht, dass ein nicht unerheblicher Teil der Konzentration auf realer Wertschöpfung basiert – vor allem dank technologischer Wettbewerbsvorteile.
Negative Nebenwirkungen für die Realwirtschaft
Trotz starker Fundamentaldaten der führenden Unternehmen erweist sich eine übermäßige Marktkonzentration langfristig als schädlich für die Gesamtwirtschaft – das zeigt eine breit angelegte Studie über 47 Länder und einen Zeitraum von drei Jahrzehnten (Bae, Bailey, Kang, 2021).
Zu den beobachteten negativen Effekten zählen:
Weniger effiziente Kapitalallokation: In konzentrierten Märkten werden Kapitalströme weniger zielgerichtet in wachstumsstarke Sektoren gelenkt – dies hemmt produktive Investitionen.
Rückgang bei Börsengängen: Dominieren wenige große Konzerne den Markt, erschwert das neu gegründeten Unternehmen den Zugang zu Finanzmitteln – Innovation und Wachstum bleiben aus.
Abnehmende Innovationskraft: Konzentration dämpft die Zahl der Patentanmeldungen und reduziert technologische Vielfalt.
Gedämpftes Wirtschaftswachstum: Ein Anstieg der Marktkonzentration um eine Standardabweichung reduziert das jährliche Pro-Kopf-BIP-Wachstum innerhalb von fünf Jahren um 0,75 Prozentpunkte – das entspricht einem Rückgang von mehr als 33 % gegenüber dem langfristigen Durchschnittswert von 2,24 %.
Auswirkungen auf aktive Fondsmanager
Neben den langfristigen wirtschaftlichen Risiken entfaltet die Marktkonzentration auch unmittelbare Effekte auf die Fondsbranche. Laut dem Morgan-Stanley-Bericht von 2024 („Stock Market Concentration: How Much Is Too Much?“) besteht ein klarer Zusammenhang zwischen dem Anteil aktiver Fonds, die den Markt schlagen, und dem Grad der Marktkonzentration.
Die chronische Unterperformance vieler aktiver Fonds erklärt sich insbesondere durch ihre strukturelle Untergewichtung großer Aktiengesellschaften. Solche Fonds investieren bevorzugt in wenig beachtete Werte – meist kleinere Unternehmen –, da sie dort einen Informationsvorteil haben. Doch gerade in den Mega-Caps konzentriert sich derzeit der Großteil der Wertschöpfung.
Eine selbstverstärkende Dynamik?
MarketScreener beobachtet die zunehmende Marktkonzentration bereits seit Jahren mit wachsender Besorgnis. Die Dynamik gewinnt in einem Umfeld weiter an Brisanz, in dem Investoren einerseits dem Momentum folgen und gezielt in stark steigende Titel investieren – wie derzeit in Europa und den USA, im Gegensatz etwa zu Japan – und andererseits zunehmend auf Indexfonds setzen.
Quellen:
Mauboussin, Callahan – Stock Market Concentration: How Much Is Too Much?, Morgan Stanley, 2024
Bae, Bailey, Kang – Why is Stock Market Concentration Bad for the Economy?, Journal of Financial Economics, 2021