Berlin (Reuters) - Nach dem Sieg der CDU und der Grünen bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen steuert das bevölkerungsreichste Bundesland auf ein mögliches schwarz-grünes Bündnis zu.

Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) kündigte am Montag nach den CDU-Gremiensitzungen in Berlin allerdings an, allen demokratischen Parteien im neuen Landtag ein Gesprächsangebot zu machen. Anders als am Sonntagabend räumte die SPD am Montag den klaren Sieg von CDU und Grünen ein und sieht Wüst in der Rolle desjenigen, der nun Koalitionsgespräche führen soll. Eine große Koalition wollte SPD-Spitzenkandidaten Thomas Kutschaty ebenso wenig ausschließen wie ein Ampel-Bündnis. Der FDP-Landesvorsitzende Joachim Stamp sagte, dass er fest von einem schwarz-grünen Bündnis in Düsseldorf ausgehe.

Die Unternehmensverbände in Nordrhein-Westfalen hoffen, dass eine schwarz-grüne Landesregierung energie- und klimapolitische Herausforderungen bewältigen und NRW gleichzeitig als Industrieland noch stärker machen kann. Nach der Landtagswahl spreche sehr viel für ein Bündnis aus CDU und Grünen, sagte Arndt Kirchhoff, Präsident der Landesvereinigung der Unternehmensverbände.

Laut vorläufigem amtlichen Endergebnis kam die CDU bei der Landtagswahl auf 35,7 Prozent der Stimmen. Das sind 2,7 Prozentpunkte mehr als 2017. Die SPD rutschte dagegen um 4,5 Prozentpunkte auf 26,7 Prozent ab und erzielte ihr bisher schlechtestes Landtagswahlergebnis in NRW. Die Grünen legten 11,8 Prozentpunkte auf 18,2 Prozent zu. Erstmals errangen die Grünen dabei auch sieben Direktmandate. Die FDP büßte dagegen erheblich an Stimmen ein und kam auf nur noch 5,9 Prozent (minus 6,7 Prozentpunkte).

Rechnerisch sind nun drei Optionen denkbar: Eine schwarz-grüne Koalition, eine große Koalition aus CDU und SPD sowie ein Ampel-Bündnis aus SPD, Grünen und FDP. "Bei mir ist die große Koalition nicht auf Nummer eins einer Koalitionsoption", sagte Kutschaty auf die Frage, ob er eine Juniorrolle mit der CDU ausschließe. Ministerpräsident Wüst wiederum sagte auf die Frage nach einem Bündnis mit der SPD nur, dass er mit allen demokratischen Parteien reden werde.

BUNDESPOLITISCHE BEDEUTUNG UMSTRITTEN

Vor allem die CDU unterstrich, dass das Wahlergebnis auch eine Klatsche für Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ampel-Regierung gewesen sei. CDU-Chef Friedrich Merz verwies darauf, dass der Bundeskanzler in NRW flächendeckend plakatiert worden sei. Das historische schlechteste SPD-Ergebnis an Rhein und Ruhr sei "eine klare Antwort" an die SPD und den Bundeskanzler. "Seit dem gestrigen Tag ist die CDU wieder zurück auf Platz eins unter den deutschen Parteien." SPD-Co-Chef Lars Klingbeil räumte Fehler in der Kommunikation der Ampel-Regierung und der Partei ein. Die SPD werde künftig stärker betonen, was sie an Entlastung etwa für die hohen Energiepreise bereits auf den Weg gebracht habe. Eine Wende in der Ukraine-Politik oder Abkehr von den Projekten im Koalitionsvertrag lehnte er aber ab.

Klingbeil erwartet nicht, dass der Ampel-Partner FDP nun in der Bundesregierung wegen des schwachen Abschneidens eine besondere Profilierung suche. "Wir müssen das Land durch den Krieg bringen", sagte er mit Hinweis auf den Ukraine-Krieg. Es gebe große Vorhaben im Koalitionsvertrag und die Pandemie sei nicht vorbei. "Das wissen alle drei Ampel-Partner. Deshalb glaube ich, dass die Auswirkungen der Wahl in Nordrhein-Westfalen sich in Grenzen halten." Auch der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, sagte, die NRW-Wahl sei in erster Linie eine Landtagswahl gewesen. Die Ampel-Regierung wolle weiter gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten.

FDP-Chef Christian Lindner sagte, für die Liberalen sei klar, dass es angesichts von Krieg und Krise in Europa keinen Raum gebe, sich ausgiebig mit den Ursachen der Wahlschlappe seiner Partei zu befassen. "Im Zentrum steht jetzt das Land." Er sprach sich zugleich deutlich gegen ein Bündnis mit SPD und Grünen in Nordrhein-Westfalen aus. "Die Ampel hätte keine Legitimation", sagte er.

Besorgt äußerten sich Politiker wegen der deutlich abgesackten Wahlbeteiligung auf nur noch 55,5 Prozent. Auch die CDU habe in NRW 180.000 Wählerinnen und Wähler an das Nichtwähler-Lager verloren und damit das eigentlich mögliche Potenzial der Partei nicht ausgeschöpft, sagte CDU-Chef Merz.