BRÜSSEL/BERLIN (dpa-AFX) - Das Bundesarbeitsministerium sieht angesichts einer neuen EU-Mindestlohn-Richtlinie Handlungsbedarf für Deutschland. Zwar ist der Mindestlohn in der Bundesrepublik hoch genug, aber es profitieren zu wenige Menschen von Tariflöhnen, wie aus einer Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der Deutschen Presse-Agentur hervorgeht. Die EU-Länder seien durch das neue EU-Gesetz aufgerufen, bei einer Tarifbindung von weniger als 80 Prozent einen Aktionsplan vorzulegen. "In der Bundesrepublik haben wir eine Tarifbindung von über 80 Prozent selbst in der Blütezeit der Sozialpartnerschaft nicht erreicht", hieß es weiter.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lag die Quote in Deutschland im Jahr 2019 bei 44 Prozent. Das Arbeitsministerium teilte weiter mit, dass der Koalitionsvertrag Maßnahmen vorsehe, "die wir nun zügig angehen wollen". Kommendes Jahr soll ein Gesetz vorgestellt werden.

Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), forderte: "Öffentliche Aufträge sollten künftig nur noch an Unternehmen gehen, die tariflich vereinbarte Regeln einhalten." Eine sinkende Tarifbindung sei in vielen Ländern Europas ein Problem. In Deutschland sei damit eine tragende Säule der sozialen Marktwirtschaft in Gefahr. "Höchste Zeit, dass die Bundesregierung aktiv wird", so Körzell.

Tarifverträge regeln die Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern und können für Firmen oder auch in ganzen Branchen gelten, etwa wenn der Arbeitgeber in einem Arbeitgeberverband ist.

Die EU-Staaten hatten in einem finalen Schritt am Dienstag den Weg für die neuen EU-Regeln frei gemacht. Das Gesetz beinhaltet Leitlinien, wie angemessene Mindestlöhne festgelegt und Tarifverhandlungen gefördert werden können. Zuvor hatten Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten das Gesetz ausgehandelt./mjm/DP/ngu