(Zahl der nachgewiesenen Infektionen aktualisiert)

PEKING/NEW YORK (dpa-AFX) - Die Zahl der Toten durch die neuartige Lungenkrankheit in China ist sprunghaft auf 17 gestiegen. Mit mehr als 200 Nachweisen binnen eines Tages nahm auch die Zahl erfasster Virus-Infektionen stark zu. Es sei bislang bei 544 Menschen in China bekannt, dass sie an der Lungenkrankheit leiden, berichtete die chinesische Ausgabe der "Global Times" im Kurznachrichtendienst Weibo am späten Mittwochabend (Ortszeit). Allein am Mittwoch stieg die Zahl der Toten von bisher 6 auf 17, wie die Regierung der Provinz Hubei in der schwer betroffenen Metropole Wuhan berichtete. Auch außerhalb Chinas wurden weitere Infektionen mit dem Coronavirus bekannt. Erstmals wurde ein Fall in den USA gemeldet.

In Europa gibt es bislang keine Nachweise. Nach Einschätzung der Bundesregierung bedeutet die Ausbreitung der neuen Lungenkrankheit nur ein "sehr geringes" Gesundheitsrisiko für die Menschen in Deutschland. Es gebe keinen Grund, jetzt in Alarmismus zu verfallen, sagte ein Sprecher von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

In den USA sei ein Mann erkrankt, der nach einer Reise in die chinesische Stadt Wuhan am 15. Januar in die Westküstenmetropole Seattle zurückgekehrt war, teilte die US-Gesundheitsbehörde CDC am Dienstag (Ortszeit) mit. Der Mann in seinen 30ern habe bei der Rückreise noch keine Symptome bemerkt, sich später aber zur Untersuchung in ein Krankenhaus begeben. Sein Zustand sei gut. Es bestehe nur ein sehr geringes Risiko, dass er weitere Menschen angesteckt haben könnte, hieß es. Die Behörden seien dabei, eine Liste der Menschen zusammenzustellen, mit denen der Mann Kontakt hatte.

Die Krankheit war zuvor bereits in Japan, Südkorea, Taiwan und Thailand nachgewiesen worden - bisher stets bei Menschen, die sich zuvor in China aufgehalten hatten. In Thailand sind mit zwei neuen Fällen inzwischen vier Erkrankte erfasst, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Thailands Behörden haben demnach seit Anfang Januar rund 20 000 Menschen auf mögliche Symptome wie Fieber kontrolliert, die mit Flügen aus Wuhan gekommen waren.

Russland will die Kontrollen an allen Grenzposten verstärken. "Wir wollen so verhindern, dass das Coronavirus in unser Land eingeschleppt wird", sagte Jelena Jeschlowa von der russischen Verbraucherschutzbehörde der Agentur Tass zufolge. Vor allem an der rund 4200 Kilometer langen Grenze zu China sollen Einreisende mit Temperaturmessungen kontrolliert und zusätzlich befragt werden.

Es wird vermutet, dass das neue Coronavirus von einem Fischmarkt in der zentralchinesischen 11-Millionen-Metropole Wuhan kommt, auf dem auch Wildtiere verkauft wurden. Man gehe zum jetzigen Zeitpunkt davon aus, dass die Quelle ein Wildtier auf dem Markt gewesen sei, sagte Gao Fu, Direktor des chinesischen Zentrums für Seuchenkontrolle. Demnach gab es zunächst Übertragungen vom Tier zum Menschen, bevor das Virus sich an seinen neuen Wirt anpasste und es zu Übertragungen zwischen Menschen kam.

Mit der gerade laufenden Reisewelle zum chinesischen Neujahrsfest am kommenden Samstag wächst die Gefahr einer Ausbreitung der Viruskrankheit. Bei der größten jährlichen Reisewelle des Landes sind einige Hundert Millionen Chinesen unterwegs. Gesundheitsexperten befürchten, dass besonders ansteckende Patienten das Virus schneller streuen könnten. Sogenannte Superverbreiter (engl. Superspreader) hatte es auch bei der ebenfalls von China ausgegangenen Sars-Pandemie gegeben, der 2002/2003 rund 800 Menschen zum Opfer fielen.

Das neue Virus gehört zur selben Virusart, es ist nur eine andere - nach derzeitigem Stand harmlosere - Variante. Gerade auch wegen der Erinnerungen an den Sars-Ausbruch ist die neue Erkrankung bei Menschen in China zum allgegenwärtigen Thema geworden. Das Land war damals praktisch zum Stillstand gekommen, Schulen blieben über Wochen geschlossen. Sars-Viren gehören zu den Coronaviren, die oft harmlose Erkrankungen wie Erkältungen verursachen. Allerdings gehören auch Erreger gefährlicher Atemwegskrankheiten wie Mers dazu.

In Peking sind inzwischen ungewöhnlich viele Menschen mit Schutzmasken unterwegs. In einigen Geschäften waren diese bereits ausverkauft. Familien diskutierten, ob geplante Reisen über die Feiertage abgesagt werden sollten.

Experten sind überzeugt, dass Reisende die neue Lungenkrankheit zumindest vereinzelt auch nach Europa bringen werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte wegen der Lungenkrankheit ihren Notfallausschuss einberufen. Die Experten berieten am Mittwoch. Auch die EU-Kommission plante zur Bewertung der Risiken durch die neue Lungenkrankheit ein Treffen.

Die WHO kann einen internationalen Gesundheitsnotstand ausrufen und damit schärfere Maßnahmen zur Bekämpfung der Seuche empfehlen. Als in China vor mehr als 17 Jahren das Sars-Virus auftauchte, empfahl die WHO Maßnahmen wie Fiebermessungen an Flughäfen der betroffenen Region. Damit sollten möglicherweise Erkrankte erkannt und vom Reisen abgehalten werden. Flughäfen in anderen Ländern wie Singapur installierten für ankommende Fluggäste Tore mit Wärmebildkameras. So wollten sie fiebernde Passagiere herausfiltern. Damals gab es das WHO-Prozedere zur Erklärung einer "Notlage von internationaler Tragweite" (public health emergencies of international concern; PHEIC) noch nicht.

Auch nach Ausbruch der Schweinegrippe 2009 empfahlt die WHO solche Messungen. Forscher an der Universität von Perth in Australien kamen in einer Studie 2015 zu dem Schluss, dass die Maßnahmen nicht effektiv waren. In Singapur seien 2009 von 116 Schweinepest-Infizierten nur 15 am Flughafen entdeckt worden, in Japan seien nur 10 von 151 Reisenden aufgefallen, die später diese Grippeform hatten. Reisende können demnach infiziert sein und andere anstecken, bevor sie Symptome wie Fieber entwickeln.

Auch vom Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin hieß es, es gebe keine wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit sogenannter Entry Screenings an Flughäfen, also Kontrollen bei der Einreise. Sinnvoll seien Exit Screenings in von einer Erkrankungswelle besonders betroffenen Gebieten. Wuhan hat entsprechende Kontrollen bei der Ausreise bereits eingeführt./jpt/DP/stw