BRÜSSEL/LONDON (dpa-AFX) - Nach neuen Ausschreitungen in Nordirland suchen Großbritannien und die Europäische Union eine Lösung im Streit über die Brexit-Sonderregeln für die britische Provinz. Für Donnerstag sei ein Gespräch des britischen Chefunterhändlers David Frost mit seinem EU-Kollegen Maros Sefcovic geplant, bestätigten beide Seiten in Brüssel. Ein Durchbruch werde noch nicht erwartet.

Dabei geht es um die Umsetzung des sogenannten Nordirland-Protokolls im britischen EU-Austrittsvertrag. Das Protokoll sieht vor, dass einige Regeln des EU-Binnenmarkts im britischen Nordirland weiter gelten. Dies soll Kontrollen an der Grenze zum EU-Staat Irland auf der gemeinsamen Insel überflüssig machen. Doch entsteht damit eine Warengrenze zwischen Nordirland und dem übrigen Großbritannien. Einfuhren müssen kontrolliert werden. Darüber klagt die Wirtschaft.

Die britische Regierung hatte deshalb einseitig Übergangsfristen verlängert, die die Folgen der neuen Regeln mildern sollen. Weil die EU darin jedoch einen Vertragsbruch sieht, leitete sie rechtliche Schritte gegen Großbritannien ein.

Die Spitze des EU-Parlaments verschob am Dienstag mit Blick auf den Streit abermals eine Entscheidung, wann der zu Weihnachten 2020 geschlossene Brexit-Handelspakt ratifiziert werden soll. Die vollständige Umsetzung des vorher vereinbarten und längst gültigen Austrittsvertrags sei entscheidend, erklärte ein Parlamentssprecher auf Twitter. Der Handelsvertrag wird derzeit nur vorläufig angewendet. Die Frist zur Ratifizierung läuft vorerst bis Ende April.

Für Großbritannien ist das Protokoll politisch heikel, weil sich Nordirland vom Rest des Vereinigten Königreichs abgekoppelt fühlen könnte. In der einstigen Unruheprovinz liefern sich Gegner und Anhänger der Zugehörigkeit zu Großbritannien wieder gewaltsame Auseinandersetzungen.

Am Montagabend setzten Unbekannte nach Angaben der Polizei ein Auto in Brand, das sie auf Schienen stehen ließen, wie unter anderem der "Belfast Telegraph" berichtete. Ein Zug, der von Belfast aus unterwegs in die Stadt Londonderry war, musste eine Notbremsung hinlegen. Da der Zugführer schnell reagierte, wurde niemand verletzt. Bereits in den Tagen zuvor war es immer wieder zu Krawallen gekommen, bei denen mehr als 80 Polizisten verletzt wurden./vsr/DP/fba