Von Andreas Kißler

PARIS/BERLIN (Dow Jones)--Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat in einer neuen Studie Strukturreformen angemahnt, um auf lange Sicht den Folgen der Coronavirus-Pandemie und dem demografischen Wandel zu begegnen. "Die Corona-Krise hinterlässt deutliche Spuren in den öffentlichen Haushalten der OECD-Länder", erklärte die Pariser Organisation. Zudem würden diese von langfristigen Trends wie dem demografischen Wandel überschattet. "Strukturreformen sind nötig, um diese Entwicklung abzufedern" - zu diesem Schluss kommt laut den Angaben ein neues OECD-Papier zur Fiskalprognose bis 2060.

So werde der Bruttoschuldenstand innerhalb der OECD-Länder 2022 voraussichtlich 20 bis 25 Prozentpunkte des Bruttoinlandsproduktes (BIP) über dem prognostizierten Niveau ohne die Belastungen der Corona-Krise liegen. Langfristig verblassten allerdings die direkten fiskalischen Auswirkungen der Pandemie im Vergleich zu den zusätzlichen fiskalpolitischen Belastungen, die sich aus Trends wie der Bevölkerungsalterung und dem Anstieg der relativen Preise für Dienstleistungen ergäben.

In der Studie werden diese fiskalischen Belastungen laut OECD anhand von Modellrechnungen unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung bewertet. In einem Szenario ohne größere Reformen der staatlichen Programme würden demnach die öffentlichen Ausgaben für Gesundheit und Langzeitpflege im Medianland, das in der Mitte der untersuchten Gruppe liegt, zwischen 2021 und 2060 um 2,2 Prozentpunkte des BIP ansteigen und die öffentlichen Rentenausgaben um 2,8 Punkte. Die sonstigen Primärausgaben würden voraussichtlich um 1,5 BIP-Punkte steigen. In dieser Zahl sind laut den Angaben aber wichtige Kostenfaktoren wie die Anpassung an den Klimawandel nicht enthalten.


   Haushaltskonsolidierung vonnöten 

Die zusätzliche Schuldentilgung durch den Anstieg der öffentlichen Verschuldung aufgrund der Coronavirus-Pandemie trage nur etwa 0,5 Prozentpunkt des BIP zum langfristigen fiskalischen Druck im Medianland bei. Nahezu alle OECD-Länder müssten in dem Szenario eine Haushaltskonsolidierung vornehmen, wobei davon ausgegangen werde, dass die Politik versuchen werde, die strukturellen Primäreinnahmen ab 2023 anzupassen. Das Medianland müsste diese zwischen 2021 und 2060 um fast 8 BIP-Punkte erhöhen, während die Anstrengungen in elf Ländern 10 Punkte übersteigen würden.

"Diese Ergebnisse bedeuten nicht, dass die Steuern in Zukunft steigen werden oder sogar sollten", betonte die OECD. Steuererhöhungen seien nur einer von vielen möglichen Wegen, um der Herausforderung zu begegnen. Blieben die Finanzierungsbedingungen günstig, könnten Länder mit einer relativ niedrigen Ausgangsverschuldung einen Teil der projizierten Ausgabensteigerungen mit Schulden finanzieren. Eine höhere Staatsverschuldung berge jedoch Risiken.

Eine Reform des Gesundheits- und Rentensystems könne hingegen verhindern, dass die Ausgaben auf das prognostizierte Niveau anstiegen. "Strukturreformen, die die Beschäftigungsquoten erhöhen, könnten erhebliche fiskalische Vorteile mit sich bringen", betonte die OECD. Vor dem Hintergrund des verlangsamten globalen Bevölkerungswachstums und des Bevölkerungsrückgangs in vielen Ländern erschienen Arbeitsmarktreformen, die die Beschäftigung erhöhen und ein längeres Arbeitsleben fördern, besonders wünschenswert. Eine Kombination aus arbeitsmarktpolitischen Reformen und einer Anhebung des durchschnittlichen effektiven Renteneintrittsalters könnte laut OECD den ursprünglich prognostizierten Anstieg der fiskalischen Belastung im OECD-Medianland bis 2060 halbieren.

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October 19, 2021 07:51 ET (11:51 GMT)