Kapitaler Fehler, Kommentar zu SAP von Sebastian Schmid
Frankfurt (ots) - Bei SAP gibt es laut Finanzvorstand Luka Mucic klare
Richtwerte, wie weit die tatsächlichen Zahlen von den Analystenschätzungen
abweichen müssen, um eine Vorabmeldung auszulösen. Nach dem dritten Quartal
seien diese nicht erreicht worden. Eine Rekalibrierung scheint nach 22 Prozent
Kursverlust damit dringend nötig. Denn was SAP am Sonntagabend publiziert hat,
war ein für die Anleger schwer verdaulicher Nachrichten-Cocktail: Unerwartet
geringe Cloud-Erlöse, eine gesenkte Jahresprognose und ein Mittelfristausblick,
der wesentliche Margenziele aufgibt. Im Ergebnis verdampften mehr als 30 Mrd.
Euro Börsenwert binnen eines Handelstages.

SAP, die damit wirbt, Firmen einen besseren Einblick in zukünftige Entwicklungen
zu geben, ist damit selbst ein kapitaler Fehler unterlaufen. Allein wenn geplant
war, einen Strategieschwenk in Richtung Cloud mit einem Absenken von
mittelfristigen Zielen zu verkünden, hätte das Unternehmen noch sensibler darauf
achten müssen, wie dies in Kombination mit dem Zwischenbericht aufgenommen
werden würde. Dass SAP sich so offensichtlich verkalkuliert hat, dürfte auch
daran liegen, dass zuletzt einige Nachrichten des Konzerns, die
Kursrückschlagpotenzial geboten hatten, von den Investoren stoisch ertragen
worden waren - darunter das plötzliche und vollkommen unerwartete Ende der
Doppelspitze mit dem Abschied von Co-Chefin Jennifer Morgan in diesem Frühjahr.

Doch auch hier hat sich SAP verkalkuliert. Die Personalveränderungen wurden so
ruhig aufgenommen, weil der Konzern trotz aller Rochaden am Ende stets die
versprochenen Ziele getroffen hat. Nun, da auch dieses Versprechen aufgelöst
scheint, sind offenbar unterdrückte Zweifel an die Oberfläche getreten. Dass die
Anleger wohl kein Branchenproblem erkennen, sondern ein primär
unternehmensspezifisches, zeigt der verhältnismäßig geringe Kursrückgang
beim
Rivalen Oracle.

Nüchtern betrachtet ist der SAP-Kurs-GAU angesichts des berichteten Zahlenwerks
und der weniger profitablen Mittelfriststrategie zwar überzogen. Die
Cash-flow-Entwicklung ist ungebrochen positiv, und auch die Cloud-Marge legt
trotz des geringeren Wachstums zu - sogar bei der geschrumpften
Reisekostenabrechnungssoftware Concur. SAP hat am Montag nicht den strategischen
Kurs verloren, dafür aber massiv an Vertrauen bei den Anlegern eingebüßt. Das
wieder aufzuholen, ist kurzfristig sicher ebenso wichtig, wie der Cloud wieder
zu mehr Wachstum zu verhelfen.

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