Prüfer auf dem heißen Stuhl, Kommentar zu Wirecard von Stefan
Paravicini
Frankfurt (ots) - Die Beweisaufnahme des Wirecard-Untersuchungsausschusses geht
in die zweite Runde. Nachdem Markus Braun, der ehemalige Chef des insolventen
Zahlungsdienstleisters, vor einer Woche als erster Zeuge auf 86 Fragen zu dem
milliardenschweren Bilanzbetrug 83 Mal unter Berufung auf sein
Aussageverweigerungsrecht und mit dem Verweis auf ein dürres Eingangsstatement
antwortete, nehmen am Donnerstag drei amtierende und ein ehemaliger
Wirtschaftsprüfer von EY auf dem heißen Stuhl Platz. Sie haben die Bilanzen des
Skandalunternehmens über Jahre testiert und sollen dem Ausschuss darlegen, wie
sich einer der wohl größten deutschen Finanzskandale der Nachkriegszeit ihrem
geschulten Blick auf die Konzernzahlen so lange entziehen konnte.

Der Auftritt der Wirtschaftsprüfer dürfte verbindlicher ausfallen als die
Befragung von Markus "Ich verweise auf mein Eingangsstatement" Braun. Bei ihren
Aussagen werden sie aber wohl ähnlich große Vorsicht walten lassen und nicht
über schon veröffentlichte Informationen wie etwa den Bestätigungsvermerk zur
Abschlussprüfung der Wirecard-Bilanz für 2018 hinausgehen. Die Anwälte der
geladenen Mitarbeiter von EY haben jedenfalls schon darauf hingewiesen, dass
sich ihre Mandanten nur innerhalb der Grenzen ihrer
Verschwiegenheitsverpflichtung äußern können. Zwar hat nach dem
Insolvenzverwalter auch ein Teil des ehemaligen Vorstandes von Wirecard die
Prüfer von dieser Verpflichtung entbunden. Das ändere aber nichts an den mit
einer Aussage verbundenen Rechtsrisiken, heißt es bei EY. Die Prüfer legen es
offenbar darauf an, vom Ausschuss mit einem Ordnungsgeld belegt zu werden, gegen
das sie vor dem Bundesgerichtshof in Berufung gehen wollen, um ihre
Rechtsposition zu klären.

Der Ausschussvorsitzende Kay Gottschalk (AfD) hat bereits Un­terstützung für
dieses Vorgehen signalisiert. Die schärfste Kritik kam von Jens Zimmermann von
der SPD, der EY ein Spiel auf Zeit vorwarf und die anderen Fraktionen
aufforderte, nicht mitzuspielen. Klar, denn die politische Verantwortung für die
Rolle der Wirtschaftsprüfer in der Affäre wird im CDU-geführten
Wirtschaftsministerium verortet, und das Finanzministerium mit
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz an der Spitze soll nicht allein in der
Schusslinie stehen. Interessanter als die Aussagen der Prüfer könnte deshalb das
Verhalten der Koalitionsvertreter im Ausschuss sein, die neben dem heißen Stuhl
immer auch die heiße Kartoffel der politischen Verantwortung für den
Wirecard-Skandal im Blick haben.

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