Verschämte Gewinner, Kommentar zur Versicherungsbranche von Antje
Kullrich
Frankfurt (ots) - Betriebswirtschaftlich geht es den deutschen Versicherern
angesichts des Gewinnsprungs in der Schaden- und Unfallversicherung ganz
ordentlich. Das üppige operative Milliardenergebnis hat Verbandspräsident
Wolfgang Weiler am Mittwoch bei der Vorstellung der vorläufigen Branchendaten
aber nur ganz knapp abgehandelt. Wie einen Krisengewinner will er die Assekuranz
auf gar keinen Fall aussehen lassen.

Denn wenn Versicherer gerade in Krisenzeiten gut verdienen, in denen sie ja
eigentlich leisten sollen, dann ist es bis zum Reputationsschaden nicht mehr
weit. Und ein Imageproblem hat sich die Branche mit den nicht eindeutigen
Formulierungen in den Verträgen einiger Betriebsschließungsversicherer und den
anschließenden Zahlungsstreitigkeiten ohnehin schon ins Haus geholt, wie Weiler
richtig angemerkt hat.

Nun ist diese Krise eben ganz anders als andere. Die Pandemie zeigt
privatwirtschaftlichen Versicherern ihre Grenzen auf. Die Liste der als sehr
real wahrgenommenen Risiken, die von privaten Anbietern allein nicht versichert
werden können, wird mit dem Ausbruch von Covid-19 länger. In Zukunft werden mit
ziemlicher Sicherheit Cyberbedrohungen und Klimakrise hinzukommen. Der schon bei
Terror- und Nuklearrisiken eingeschlagene Weg öffentlich-privater
Deckungskonzepte ist aus heutiger Sicht der richtige und sollte auch künftig
Pandemierisiken für kleinere Unternehmen zu­mindest teilweise abfedern.

Doch nach dem Langfrist-Ausblick zurück zur aktuellen Lage: So gut es für die
deutschen Versicherer 2020 auch lief, hält das laufende Jahr erhebliche
Unsicherheiten parat. Dass die Autoversicherer, die vielfach
Beitragszugeständnisse an ihre Kunden gemacht haben, 2021 nur annähernd so gut
verdienen wie zu­letzt, scheint sehr unwahrscheinlich. Grundsätzlich wird der
scharfe Wettbewerb in der Sparte bestehen bleiben.

Ein wohl viel zu positives Bild zeichnet außerdem das Ab­schneiden der
Kreditversicherer mit einer Schaden-Kosten-Quote von nur 76 Prozent im
vergangenen Jahr. Hier verdeckt die ausgesetzte Insolvenzantragspflicht den
Blick auf die Realität. Wie sich die geschäftliche Lage der allerdings kleinen
Sparte mit steigenden Pleiten darstellt, ist schwer abzuschätzen, auch wenn die
staatliche Haftungsgarantie die Belastung der Versicherer abpuffert. Die
erwartete Insolvenzwelle könnte auch noch die Lebensversicherer in ihren
Kapitalanlagen belasten. Dennoch scheint die deutsche Assekuranz auch weiter
stabil durch die Pandemie zu kommen.

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