Zwischen Hoffen und Bangen, Kommentar zur EZB von Mark Schrörs
Frankfurt (ots) - EZB-Präsidentin Christine La­garde hat sehr viel Zeit darauf
verwendet auszuführen, was die Europäische Zen­tralbank (EZB) denn unter jenen
"günstigen Finanzierungsbedingungen" versteht, die sie mit aller
(geldpolitischen) Macht erhalten will. Viel schlauer dürften sich die Beobachter
hernach aber kaum gefühlt haben. Tatsächlich scheint es der Zentralbank auch in
dem Punkt primär darum zu gehen, sich größtmögliche Flexibilität zu
verschaffen.
Das ist in der Pandemie zwar verständlich. Flexibilität darf aber auch nicht in
Willkür umschlagen. Lagarde & Co. sollten da bald für mehr Erklärung und
mehr
Klarheit sorgen.

Geldpolitisch blieb am Donnerstag wie erwartet erst einmal alles unverändert.
Zumal sechs Wochen nach dem umfassenden Lockerungspaket von Mitte Dezember in
der Tat auch kein Handlungsbedarf bestand. Zwar haben sich die kurzfristigen
Konjunkturperspektiven zuletzt etwas verschlechtert - wozu neben den Lockdowns
quer durch Euroland auch der misslungene Impfstart beigetragen hat. Mittel- und
langfristig haben sich die Aussichten aber aufgehellt - nicht zuletzt dank der
zunehmenden Impfstoffe, aber auch dank der Brexit-Einigung und des Machtwechsels
in den USA. Für die EZB, die derzeit zwischen Hoffen und Bangen schwankt, muss
aber die längerfristige Perspektive entscheidend sein.

In die Karten gespielt hat dem EZB-Rat, dass der Euro zuletzt abgewertet hat,
nachdem er zuvor kräftig zugelegt hatte. Das hat Lagarde weitere verbale
Verrenkungen erspart. Tatsächlich würde die EZB auch kaum über wirklich
wirksame
Instrumente verfügen, um eine neuerliche Euro-Aufwertung allein entscheidend zu
stoppen. Einen Währungskrieg etwa mit den USA sollte sie ohnehin keinesfalls
anzetteln. Dass in der Krise zuletzt vielerorts die Wechselkurse wieder als
Mittel der Wahl in den Fokus geraten sind, ist beunruhigend.

Die EZB ihrerseits sollte die Zeit jetzt vor allem entschlossen nutzen, ihre
Strategiedebatte zu forcieren - insbesondere, was das künftige Inflationsziel
betrifft. Das ist auch entscheidend, um eine künftige Exit-Strategie zu
entwerfen. Die zuletzt unglückliche Ausstiegsdebatte in den USA sollte der EZB
Mahnung sein, rechtzeitig für Klarheit zu sorgen. Wohlgemerkt: Es geht nicht um
einen verfrühten Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik. Aber es geht um
eine frühzeitige Kommunikation, unter welchen Bedingungen dieser Exit angegangen
wird und wie er ausgestaltet wird. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

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