Digitale Konferenz macht deutlich: / Politik, Wirtschaft und
Wissenschaft sehen erheblichen Reformbedarf nach dem Fall Wirecard
Hamburg (ots) - Auf Einladung von Mazars Deutschland, der Deutschen
Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und des Arbeitskreises deutscher
Aufsichtsrat fand am 1. März 2021 eine digitale Konferenz zum Thema
"Reformbedarf nach Wirecard: Ist das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz
(FISG) die richtige Antwort?" statt. Der Tenor der Vorträge und der
Diskussionsrunde war eindeutig: Damit sich ein Fall Wirecard nicht wiederholt,
sind grundlegende Reformen des Rechtsrahmens erforderlich. Es diskutierten unter
anderem die Bundestagsabgeordneten Matthias Hauer (CDU) und Lisa Paus (Bündnis
90/Die Grünen), die Aufsichtsrätin Dr. Annette Messemer (Société
Générale), CFO
Ute Wolf (Evonik Industries AG) sowie Prof. Dr. Patrick Velte (Leuphana
Universität Lüneburg).

Seit seiner Insolvenz im Juni des vergangenen Jahres steht der Name Wirecard für
einen der größten Finanzskandale in der Geschichte der Bundesrepublik. Um
ähnliche Fälle in Zukunft unwahrscheinlicher zu machen, hat die Bundesregierung
am 16. Dezember mit dem Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG)
Vorschläge
für eine Neuregelung vorgelegt, die in den kommenden Tagen und Wochen im
Bundestag beraten werden.

Dies nahmen die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Mazars Deutschland, die
Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) und der Arbeitskreis
deutscher Aufsichtsrat e.V. (AdAR) zum Anlass, zu einer öffentlichen digitalen
Konferenz am 01.03.2021 einzuladen, an der über 100 Gäste teilnahmen. Die
Vortragenden und Teilnehmer*innen an der virtuellen Podiumsdiskussion
repräsentierten eine große Bandbreite betroffener Akteure aus Politik,
Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft:

- Matthias Hauer, Mitglied des Deutschen Bundestages und Obmann der
  CDU/CSU-Fraktion im Wirecard Untersuchungsausschuss
- Lisa Paus, Mitglied des Deutschen Bundestages und finanzpolitische Sprecherin
  der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
- Dr. Annette Messemer, Non-Executive Director, Société Générale,
  EssilorLuxottica, Imérys, Savencia
- Ute Wolf, CFO, Evonik Industries AG
- Dr. Christoph Regierer, Sprecher des Management Boards Mazars GmbH & Co. KG
- Prof. Dr. Patrick Velte, Professor für Betriebswirtschaftslehre, insb.
  Accounting, Auditing & Corporate Governance, Leuphana Universität Lüneburg
- Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für
  Wertpapierbesitz (DSW) e. V.

Die facettenreichen Beiträge kreisten um die Schlüsselfragen der aktuellen
Diskussion: Gibt das Gesetz Investoren und Aufsichtsräten hinreichend
Sicherheit? Gibt es in anderen europäischen Ländern Lösungen, die Deutschland
berücksichtigen sollte? Liefert der Entwurf insgesamt die richtigen Antworten,
um das verlorengegangene Vertrauen in den Finanzmarkt wiederherzustellen?

In seinem einleitenden Impulsvortrag bewertete Professor Patrick Velte das FISG
aus wissenschaftlicher Perspektive. Er stellte fest, dass das FISG sich auf die
Reform der Finanzmarktaufsicht und die Abschlussprüfung konzentriere. Während
die Reform der Finanzmarktaufsicht im Ganzen zu begrüßen sei, sieht Velte im
Bereich der Abschlussprüfung Gefahren für die Marktstruktur, vor allem durch
verschärfte Haftungsregelungen, die kleinere Wirtschaftsprüfungsgesellschaften
überproportional träfen. Hinsichtlich der Vorschriften für Vorstand und
Aufsichtsrat kritisierte Velte, dass sie nicht ausreichend seien, um Fälle
krimineller Täuschungsversuche auszuschließen: "Viele der durch das künftige
FISG geplanten Corporate Governance-Regulierungen tragen nur eingeschränkt zur
Prävention von Top Management Fraud bei".

Dr. Annette Messemer sprach sich aus der Perspektive einer Aufsichtsrätin klar
für die Einführung von Joint Audits aus und verwies dabei auf die Vorteile, wie
zum Beispiel die gegenseitige Qualitätskontrolle und das Knowhow von zwei
Prüfungsgesellschaften. Aus ihrer Sicht zeige das Beispiel Frankreich, wo Joint
Audits seit 1966 für börsennotierte Unternehmen gesetzlich vorgeschrieben sind,
dass diese zu einer größeren Marktvielfalt führen. Mit Verweis auf Wirecard
machte sie sich außerdem für einen stärkeren Fokus auf die Unabhängigkeit
von
Aufsichtsräten stark.

Aus der Perspektive der Anleger machte Marc Tüngler deutlich, dass das FISG
dafür sorgen müsse, dass für Unternehmen auch zukünftig eine ausreichende
Anzahl
an Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zur Auswahl steht. Daher müsse auch
gewährleistet sein, dass mittelständischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften
Kapazitäten aufbauen können, um an der Prüfung von Unternehmen
öffentlichen
Interesses (PIE) teilzunehmen. Tüngler: "Man muss heute schon dafür sorgen, dass
auch die zweite Reihe so stark gemacht wird, dass Unternehmen weiterhin eine
Auswahl haben."

Dr. Christoph Regierer konzentrierte sich in seinem Beitrag auf den Bereich der
Wirtschaftsprüfung. Er erklärte, dass der Fall Wirecard einen erheblichen
Reputationsschaden für die Branche bedeute. Er sehe die Branche deshalb in der
Pflicht, konstruktiv daran mitzuarbeiten, wie das verloren gegangene Vertrauen
zurückzugewinnen sei. Das Gesetz habe aber bei unveränderter Verabschiedung
unerwünschte Nebenwirkungen auf die Marktvielfalt. Regierer: "Insbesondere die
unbeschränkte Haftung schon bei grober Fahrlässigkeit würde einen
Marktaustrittsimpuls setzen, da dies mittelständische Prüfungsgesellschaften
besonders hart träfe. Auch der Wegfall der Anreize für optionale Joint Audits
ist vor diesem Hintergrund problematisch."

In der folgenden Diskussionsrunde verwies Ute Wolf, Finanz Vorständin der Evonik
Industries AG, darauf, dass in den Bereichen staatlicher Aufsicht und
Unternehmensführung die Probleme nicht nur beim rechtlichen Rahmen gesucht
werden dürfen. Wenn man nicht auch bei mangelhaftem Vollzug bestehender Regeln
ansetze, könne neue Gesetzgebung wenig ausrichten. Wolf: "Der Fall Wirecard
zeigt, wie wichtig es ist, die bestehenden Instrumente zu Governance und
Kontrolle umfänglich zu nutzen. Ein neues Gesetz kann keinen hundertprozentigen
Schutz schaffen und erhöht den Bürokratie-Aufwand für alle."

Matthias Hauer, MdB, betonte, dass die Unionsfraktion dringenden Änderungsbedarf
am FISG-Entwurf sieht: "Starke Bilanzkontrolle aus einer Hand, klare Kompetenzen
bei der Geldwäscheaufsicht, weniger Konzentration auf dem
Wirtschaftsprüfermarkt, Stärkung der Rechte von Aufsichtsräten und mehr
Transparenz bei Verstößen - das muss im FISG dringend ergänzt werden."

Zum gleichen Thema kommentierte Lisa Paus, MdB: "Die Marktmacht der Big Four ist
zu einem echten Problem für die unabhängige Abschlussprüfung geworden - wir
brauchen eine strikte Trennung von Beratung und Prüfung und eine Reform, die den
Markt auch für Mitbewerber öffnet." Außerdem komme ihr das Thema Geldwäsche
im
FISG bislang zu kurz.

In der abschließenden offenen Diskussion wurde noch einmal die Frage
thematisiert, ob das FISG Fälle wie Wirecard in Zukunft unwahrscheinlicher
mache. Den skeptischen Tenor der Antworten fasste Marc Tüngler in seinem Fazit
zusammen: Angesichts der vielen grundlegenden und komplizierten Themen sei die
schnelle politische Reaktion durch das FISG zwar ein wichtiger erster Schritt,
aber weitere Schritte müssten folgen: "Wir sind noch nicht am Ende und die
Diskussionen werden weitergehen. Nach dem FISG ist vor dem FISG II."

Die Aufzeichnung der Veranstaltung finden Sie auf unserer Website. (https://www.
mazars.de/Home/ber-uns/Aktuelles/Veranstaltungen/Digitales-Event-Reformbedarf-na
ch-Wirecard)

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