FRANKFURT - Die Inflation in Deutschland hat sich erstmals seit Juli wieder leicht abgeschwächt. Die Verbraucherpreise stiegen im November gegenüber dem Vorjahresmonat um 10,0 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag in einer ersten Schätzung mitteilte. Zuvor war die Jahresteuerungsrate drei Monate in Folge gestiegen und hatte im Oktober einen Wert von 10,4 Prozent erreicht. Analysten hatten für November eine unveränderte Jahresrate erwartet.

Einschätzungen von Ökonomen zur Preisentwicklung im Überblick:

Jörg Krämer, Chefvolkswirt Commerzbank

"Von Entwarnung kann keine Rede sein. Vielmehr rechnen wir bis Anfang des nächsten Jahres mit zweistelligen Inflationsraten. Erst danach dürfte die Gesamtinflation allmählich fallen, aber nur deshalb, weil die Energiepreise nicht noch einmal so stark zulegen sollten wie in den vergangenen Monaten. Die unterliegende Teuerung wird allerdings hoch bleiben. Die Tariflohnrunden haben Fahrt aufgenommen und die Gewerkschaften können deutlich höhere Löhne durchsetzen als noch zu Beginn des Jahres."

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank

"Der düstere Inflationshimmel lockert sich etwas auf. Vorerst werden die Wolken aber weiter dominieren, denn mit den Strom- und Gaspreisanpassungen steht eine neue Preisrunde bevor. In den Frühjahrsmonaten 2023 sollte es dann allerdings zu einer nachhaltigen Entspannung kommen. Die mit Kriegsausbruch merklich gestiegenen Kosten für Energie sind dann die Vergleichsbasis für Berechnung der Inflationsrate."

Christoph Swonke, Analyst DZ Bank

"Das ist ein erster Lichtblick und vor allem auf die leicht gesunkenen Energiepreise zurückzuführen. Mit der einmaligen Übernahme der Gasabschlagszahlungen im Dezember sowie der Strom- und Gaspreisbremse ab Januar stehen Entlastungen an, die die Energiekosten weiter drosseln sollten. Allerdings haben viele Versorger für 2023 bereits höhere Preise angekündigt. Die politischen Maßnahmen werden deshalb nicht alles abfedern können. Auch bei Lebensmitteln bleibt der Preisdruck weiter sehr hoch. Ein nachhaltiger Rückgang der Inflation ist deshalb noch nicht in Sicht. Ob der Höhepunkt bereits erreicht ist, erfahren wir vermutlich im Januar."

Friedrich Heinemann, Ökonom beim Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW)

"Die Beruhigung der Energiepreise auf sehr hohem Niveau bremst die Inflation jetzt etwas ab. Für eine Entwarnung besteht dennoch nicht der geringste Anlass. Die Rückkehr zur Preisstabilität gemäß dem Zwei-Prozent-Inflationsziel der Europäischen Zentralbank ist weit und breit nicht in Sicht. Die Inflationsdynamik hat neben der Energie längst fast alle anderen Güter und Dienstleistungen im Warenkorb erfasst. Auch wenn die aktuellen Lohnabschlüsse keinen vollen Ausgleich für die sehr hohe Inflation bieten, werden sie den Kostendruck der Unternehmen hoch halten und eine Rückkehr der Inflation in Richtung Zwei-Prozent-Marke im nächsten Jahr nicht erlauben."

Ralf Umlauf, Analyst Landesbank Hessen-Thüringen (Halaba)

"Die Inflationsrate ist gesunken und mit den rückläufigen Zahlen bei Erzeugerpreisen und Großhandelspreisen scheint die Teuerungswelle den Zenit erreicht zu haben. Unklar ist derweil, wie hoch die Preisüberwälzungen der Gas- und Stromversorger sein werden - und wie die Gas- und Strompreisbremsen im Dezember statistisch erfasst werden. Erfreulich ist, dass die Indikationen für die Kernteuerung in Deutschland ebenfalls auf einen Hochpunkt hinweisen."

Claus Vistesen, Chefvolkswirt für die Eurozone bei Pantheon Macroeconomics

"Mit Blick auf die Zukunft deuten Basiseffekte sowohl bei Öl als auch bei Gas auf einen deutlichen Rückgang der Inflation im Jahresvergleich hin, aber die höheren Gasgroßhandelspreise wirken sich erst mit einer langen Verzögerung auf die Strom- und Verbrauchergaspreise aus. Ein Rückgang der Temperaturen dürfte die Großhandelspreise wahrscheinlich in die Höhe treiben, da die Lagerbestände sinken. Deutschland ist noch nicht über den Berg."

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