FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Europäische Zentralbank (EZB) geht angesichts der gut laufenden Konjunktur bei ihren milliardenschweren Anleihekäufen leicht vom Gas. Im vierten Quartal soll der Kauf von Staats- und Unternehmenspapieren im Rahmen des Corona-Notkaufprogramms PEPP "moderat" geringer ausfallen als derzeit. Das entschied der EZB-Rat bei seiner Sitzung am Donnerstag. Zuletzt steckte die EZB über das PEPP monatlich etwa 80 Milliarden Euro in Wertpapiere.

Einschätzungen von Ökonomen zu den Beschlüssen

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank

"Im dritten Quartal fallen nun die Fälligkeiten geringer aus, so dass sich die EZB nun sicher fühlt und wieder sukzessive auf das monatliche durchschnittliche Kaufvolumen des ersten Quartals zurückgehen wird. Dies ist allerdings nicht gleichzusetzen mit einem Tapering. Das erhöhte Kaufvolumen im zweiten und laufenden Quartal war eine temporäre Maßnahme. Diese läuft jetzt aus."

Ulrich Wortberg, Analyst Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba)

"Es wird schwierig für Präsidentin Christine Lagarde: Einerseits muss sie die notwendige Reduzierung der Asset-Käufe begründen, andererseits aber Marktteilnehmer davon überzeugen, dass an der akkommodierenden Geldpolitik festgehalten wird. Dies könnte - ähnlich wie bei der Fed - mit dem Hinweis auf noch für lange Zeit sehr niedrige Zinsen gelingen. Es zeigt sich einmal mehr, dass der Ausstieg aus der extrem lockeren Geldpolitik vermutlich schwieriger ist als der Einstieg."

Jens-Oliver Niklasch, Analyst Landesbank Baden Württemberg

"Da hat der EZB-Rat das Minimum des Möglichen beschlossen. Gar nichts zu ändern, wäre angesichts des Inflationsanstiegs zu wenig gewesen. Dafür bleibt die volle Flexibilität und der Rahmen des Pepp sowie der bisherige Zeitplan erhalten. Angesichts der weiter vorhandenen Abwärtsrisiken für die Konjunktur vor dem Hintergrund von Delta-Variante, Impfmüdigkeit und Lieferengpässen eine nachvollziehbare Entscheidung. Nächster Halt ist dann der Dezember mit den neuen Projektionen für ein weiteres Jahr. Da wird es sich wohl entscheiden."

Friedrich Heinemann, Ökonom beim Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW)

"Es ist gut, dass sich der EZB-Rat bewegt und einen allerersten Trippelschritt auf dem langen Weg zu einem Ende der Anleihekäufe unternimmt. Ein einfaches 'Weiter so' würde der Reputation der EZB schaden. So liegt die Inflationsrate in der Eurozone in diesem Jahr inzwischen deutlich über der bisherigen EZB-Prognose. (...) Der EZB-Rat muss jetzt beweisen, dass er primär das Ziel der Preisstabilität notfalls auch gegen die Interessen der nationalen Finanzminister verfolgt. Insofern müssen dem ersten Trippelschritt in den kommenden Monaten weitere klare Ansagen für einen Exit aus der Krisenpolitik folgen."

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