FRANKFURT (dpa-AFX) - Das Schweizer Bankhaus Pictet rät Deutschland auf dem Weg zu mehr Wachstum dringend zu Steuersenkungen. "Deutschland braucht Steuersenkungen. Das wirkt am besten und am schnellsten", sagte Patrick Zweifel, Chefvolkswirt von Pictet Asset Management der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Dabei sei wichtig, dass möglichst breite Bevölkerungsschichten von den Steuersenkungen profitieren.

Keinesfalls sollte sich die deutsche Regierung bei möglichen Steuersenkungen aber am Beispiel der US-Regierung unter Präsident Donald Trump orientieren. Hier hatten massive Steuersenkungen der amerikanischen Wirtschaft zwar Auftrieb verliehen, aber durch das Programm konnten nur eher wohlhabende Bevölkerungsgruppen profitieren.

Nach Einschätzung des Experten sind Steuersenkungen dringend notwendig, nachdem die extrem lockere Geldpolitik am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen sei. "Die Europäische Zentralbank (EZB) kann nicht mehr viel ausrichten", sagte Zweifel. Seiner Einschätzung nach wirke eine zusätzliche Lockerung kaum noch stimulierend auf die konjunkturelle Entwicklung.

Der Chefvolkswirt des Schweizer Vermögensverwalters schließt sich damit der Meinung zahlreicher Ökonomen an, die den Staat stärker in der Verantwortung für mehr Wachstum sehen. Auch aus den Reihen der EZB gab es zuletzt immer wieder die Mahnung in Richtung der Regierungen im Währungsraum, die notwendigen Schritte für mehr Wachstum zu unternehmen.

Nach Einschätzung von Zweifel wirkt die extrem lockere Geldpolitik mittlerweile sogar zunehmend kontraproduktiv. Obwohl die EZB den Geldhäusern bei den Strafzinsen auf Einlagen bei der Notenbank Erleichterungen gewährt habe, würden bei den Negativ-Zinsen die negativen Auswirkungen überwiegen. "Unter Berücksichtigung der Preissteigerung wirken Negativzinsen inzwischen so schädlich auf das Zinsgeschäft der Banken, dass die Finanzinstitute kaum noch die Finanzierungsbedingungen der Unternehmen durch die Weitergabe günstiger Zinsen verbessern können", sagte Zweifel.

Als eine der größten Gefahren für stark exportabhängige deutsche Wirtschaft gilt der Handelskonflikt zwischen den USA und China, den beiden größten Volkswirtschaften der Welt. "Deutschland zählt zu den Ländern, die weltweit am meisten unter den Folgen leiden", sagte Zweifel.

"Geht der Handelskonflikt weiter, wird die Konjunkturflaute anhalten", zeigte sich der Pictet-Ökonom überzeugt. Dann sei bis zum Jahresende mit einer Stagnation oder einem leichten Schrumpfen der deutschen Wirtschaft zu rechnen. Dabei sieht der Ökonom Zweifel die größte Volkswirtschaft Europas derzeit noch in einer vergleichsweise vorteilhaften Lage. "Deutschland zählt neben der Schweiz, Großbritannien, Schweden und den Niederlanden zu den Ländern, die aus eigener Kraft an der fiskalpolitischen Schraube drehen können, um Konjunktur und Aktienmarkt zu stützen", sagte Zweifel./jkr/la/jha/