Washington (Reuters) - US-Notenbankchef Jerome Powell hat die Finanzmärkte vor der letzten Fed-Sitzung im laufenden Jahr auf eine weniger aggressive Gangart bei den Zinsen eingestimmt.

"Bereits im Dezember" könne die Zeit gekommen sein, Tempo bei den Zinsanhebungen herauszunehmen, sagte der Chef der Federal Reserve (Fed) am Mittwoch bei einer Veranstaltung der Denkfabrik Brookings Institution in Washington. Die Wahrscheinlichkeit für einen Zinsschritt in Höhe von 0,50 Prozentpunkten für die Sitzung am 14. Dezember wird an den Finanzmärkten nunmehr auf 75 Prozent taxiert.

Die Fed hatte Anfang November den Leitzins zum vierten Mal in Folge um 0,75 Prozentpunkte erhöht - auf die neue Spanne von 3,75 und 4,00 Prozent. Mittlerweile haben mehrere Währungshüter signalisiert, dass sie kleinere Schritte befürworten könnten. Denn mittlerweile mehren sich die Anzeichen, dass der hohe Inflationsdruck stärker als gedacht zurückgeht - sowohl bei den Verbraucher- als auch bei den Erzeugerpreisen.

Der Kampf gegen die Inflation sei allerdings noch nicht beendet, betonte Powell. Zudem sei es wahrscheinlich, dass die Fed den Leitzins letztlich auf einen etwas höheren Stand treiben müsse als die Währungshüter im September in ihren Projektionen mit einem Niveau von 4,6 Prozent signalisiert hätten. Eine Zahl nannte Powell indes nicht. An den Terminmärkten wird damit gerechnet, dass der Zinsgipfel im Mai 2023 mit einem Wert von unter 5 Prozent erreicht sein wird.

Die Rede Powells kam an der Wall Street gut an und verhalf den US-Börsen ins Plus. "Man kann die Zinssätze nicht mehr so schnell erhöhen, wie sie es bisher getan haben. Dennoch ist es für die Anleger immer angenehm, wenn sie es direkt vom Chef hören", sagte Rick Meckler, Partner beim Vermögensverwalter Cherry Lane.

Um die Inflation in den Griff zu bekommen, ist es laut Powell nötig, das geldpolitische Niveau für einige Zeit auf einem restriktiven Niveau zu halten, das die Wirtschaft zügelt. Dies gilt als Absage an eine Zinssenkung, mit der manche Investoren für das nächste Jahr rechnen. Es gelte, die Geldpolitik "nicht zu früh" zu lockern, mahnte der Fed-Präsident. Auf der anderen Seite dürfe man mit dem Zinsniveau auch nicht überziehen: "Wir denken, dass eine Verlangsamung an diesem Punkt eine gute Möglichkeit ist, die Risiken auszugleichen." Noch seien aber "keine klaren Fortschritte" bei der Dämpfung der Inflation zu erkennen, sagte Powell: "Wir werden den Kurs beibehalten, bis die Arbeit erledigt ist."

Wie aus den Protokollen der jüngsten Fed-Sitzung hervorgeht, ist in der Führungsebene der Fed eine Debatte darüber in Gang gekommen, welche Risiken ein zu schnelles Anziehen der Zinsschraube bewirken könnte. Nach Ansicht der Währungshüterin Esther George wird es zunehmend schwieriger, die Inflation einzudämmen, ohne eine Rezession auszulösen. Powell betonte bei der Veranstaltung in Washington, er sehe weiterhin einen Weg zu einer mehr oder weniger sanften Landung der Wirtschaft, mit der eine tiefe Rezession abgewendet werden könne.

Die US-Wirtschaft war im Sommer auf das Jahr hochgerechnet noch um 2,9 Prozent gewachsen. Angesichts der noch immer hohen Inflation im Land sind die Konjunkturaussichten jedoch nicht mehr rosig. Die Wirtschaft ist laut der Fed von Mitte Oktober bis Ende November kaum oder nur mäßig gewachsen. Im Vergleich zur vorigen Befragung habe sich die wirtschaftliche Aktivität weiter verringert, teilte die Notenbank im Konjunkturbericht "Beige Book" mit. Hohe Zinsen und Inflation belasteten nach wie vor die Wirtschaft.

(Bericht von Howard Schneider, Ann Saphir, Lindsay Dunsmuir, Reinhard Becker, Mitarbeit Zuzanna Szymanska, redigiert von Birgit Mittwollen. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)