BERLIN (AFP)--Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben am Samstag einen neuen diplomatischen Vorstoß zur Beendigung des Ukraine-Kriegs gestartet. Bei einem Telefonat mit Wladimir Putin warnte der russische Staatschef Deutschland und Frankreich vor weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine. Scholz und Macron forderten ihrerseits von Putin "ernsthafte direkte Verhandlungen" mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Im Donbass verschärften sich die Kämpfe derweil nochmals.

Das Telefongespräch dauerte nach Angaben der Bundesregierung 80 Minuten und ging von Scholz und Macron aus. Putin sagte dabei nach Angaben des Kreml, weitere Waffenlieferungen an die Ukraine seien "gefährlich". Dadurch bestehe das Risiko, dass sich in der Ukraine "die Situation weiter destabilisiert und die humanitäre Krise verschärft".

Scholz und Macron drängten ihrerseits nach Angaben der Bundesregierung "auf einen sofortigen Waffenstillstand und einen Rückzug der russischen Truppen". Putin müsse direkt mit Selenskyj sprechen, es müsse eine diplomatische Lösung für den Konflikt gefunden werden.

Putin sagte dazu nach Kreml-Angaben, Moskau sei bereit für eine Wiederaufnahme der Gespräche mit Kiew. Delegationen beider Seiten hatten sich seit Kriegsbeginn am 24. Februar mehrmals getroffen oder per Video gesprochen, seit einigen Wochen finden aber keine Verhandlungen mehr statt.

Scholz und Macron riefen den Kreml-Chef auch auf, "für eine Verbesserung der humanitären Lage der Zivilbevölkerung zu sorgen". Nach Angaben der Bundesregierung sagte Putin zu, ukrainische Gefangene "gemäß der Vorgaben des humanitären Völkerrechts, insbesondere der Genfer Abkommen, zu behandeln sowie einen ungehinderten Zugang des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz sicherzustellen".

Konkret wurde nach Angaben des Elysée-Palastes über die Kämpfer aus dem Asowstahl-Werk in Mariupol gesprochen. Macron und Scholz hätten die Freilassung von rund 2.500 von Russland festgenommenen Kämpfern verlangt, die das Stahlwerk in der Hafenstadt wochenlang verteidigt hatten.

Zur Sprache kam bei dem Telefonat auch die weltweite Nahrungsmittelkrise. Putin stellte nach Kreml-Angaben ein Entgegenkommen beim Export von ukrainischem Getreide in Aussicht. Russland sei "bereit", Möglichkeiten "für einen Getreide-Export ohne Hemmnisse zu finden". Dies betreffe auch ukrainisches Getreide in Schwarzmeer-Häfen.

Zugleich forderte Putin erneut die Aufhebung westlicher Sanktionen gegen sein Land. Die "antirussischen Sanktionen" sowie eine "fehlgeleitete Wirtschafts- und Finanzpolitik der westlichen Ländern" seien die Ursache für die Lebensmittelkrise. Die Ukraine und Russland gehören zu den weltweit wichtigsten Getreideproduzenten. Der Export aus beiden Ländern ist wegen der Kämpfe in der Ukraine und der Sanktionen gegen Russland eingebrochen.

Weitgehend ausgenommen von Sanktionen ist bisher russisches Öl und Gas - am Montag beim EU-Gipfel soll erneut über ein Öl-Embargo gesprochen werden. Moskau bezifferte nun erstmals seine Mehreinnahmen durch die international hohen Energiepreise: Er rechne in diesem Jahr mit zusätzlichen Einnahmen in Höhe von umgerechnet 13,7 Milliarden Euro durch Öl- und Gasexporte, sagte der russische Finanzminister Anton Siluanow. Das Geld solle auch für die Stärkung der russischen Offensive in der Ukraine genutzt werden.

Vor allem rings um die letzten ukrainischen Bastionen im Donbass im Osten des Landes werden die Kämpfe derzeit immer heftiger. Moskau verkündete am Samstag die Eroberung der Ortschaft Lyman, die zuvor schon von pro-russischen Rebellen vermeldet worden war. Lyman ist ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt nordöstlich von Slowjansk und Kramatorsk. Die Eroberung von Lyman würde einen russischen Vormarsch auf diese beiden großen Städte ermöglichen, die noch unter ukrainischer Kontrolle stehen.

Die Ukraine bestätigte den Verlust von Lyman zunächst nicht. Präsident Selenskyj bezeichnete die Lage im Donbass aber als "sehr, sehr schwierig". Die russische Armee setze im Donbass ein Maximum an Artillerie und Reserven ein. Es gebe Raketen- und Luftangriffe - einfach "alles", sagte Selenskyj.

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May 29, 2022 03:09 ET (07:09 GMT)