Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat sich überzeugt gezeigt, dass die erreichte Einigung auf eine globale Mindeststeuer und neue Regeln für die Aufteilung von Besteuerungsrechten Vorbild für weitere globale Verständigungen sein kann. "Sie markiert den Beginn einer neuen Ära multilateraler Zusammenarbeit", sagte Scholz in einer auf Englisch gehaltenen Videobotschaft bei einem Steuersymposium des Finanzministeriums. Die Einigung auf dieses Zwei-Säulen-Projekt werde "den Weg bereiten für viele weitere Projekte, die enge Zusammenarbeit auf einem globalen Niveau erfordern werden".

Die Übereinkunft beweise, dass globale Lösungen für aktuelle Herausforderungen gefunden werden könnten. Damit könne man "endlich die Welt der internationalen Besteuerung so ändern, dass sie die Realitäten der heutigen digitalisierten Wirtschaft besser reflektiert", betonte Scholz. "Wir können die Stabilität des internationalen Steuerrahmens wiederherstellen und weitere unkoordinierte und einseitige Steuermaßnahmen verhindern." Die Einigung auf eine Zwei-Säulen-Lösung führe zu gleichwertigen Wettbewerbsbedingungen im weltweiten Steuersystem, mehr Steuersicherheit und einem Ende des Rennens um immer niedrigere Sätze.

"Für mich sind faire internationale Steuerregeln entscheidend, um die nachhaltige Finanzierung unserer öffentlichen Güter zu gewährleisten", betonte Scholz. In den kommenden Jahren stehe die Erholung von der Corona-Krise im Mittelpunkt, und es werde "extrem wichtig sein, die Regierungsbudgets zu stabilisieren". Die Notwendigkeit globaler Lösungen sei mit der Corona-Krise noch gestiegen.


   136 Staaten einig zu Steuerrechten und Mindeststeuer 

Im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) haben sich 136 Staaten auf eine faire Aufteilung von Besteuerungsrechten und eine globale effektive Mindestbesteuerung mit einem einheitlichen Steuersatz von 15 Prozent geeinigt. Die Finanzminister der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) beschlossen Anfang Juli das Grundkonzept und billigten Mitte Oktober noch offen gebliebene technische Details und einen Fahrplan zur Umsetzung.

Unter Säule 1 haben die Staaten laut Finanzministerium ein neuartiges System der Zuordnung internationaler Besteuerungsrechte entwickelt. Durch die Schaffung neuer Anknüpfungspunkte sollen demnach tendenziell die Besteuerungsrechte vom Ort der Produktion dahin gelenkt werden, wo die Produkte vermarktet und die Gewinne erwirtschaftet werden. Dazu soll ein Anteil des Gewinns einer Unternehmensgruppe oder Geschäftssparte den Staaten zugeteilt werden. Die Einführung nationaler Maßnahmen und insbesondere nationaler Digitalsteuern soll damit überflüssig werden.

Säule 2 sieht eine globale effektive Mindestbesteuerung vor. Alle Staaten einigen sich demnach auf ein weltweit gültiges Mindestniveau der Besteuerung. Dabei soll aber keinem Staat vorgeschrieben werden, welcher Steuersatz in seinem Land gilt. Staaten mit einem höheren Besteuerungsniveau können aber auf die sehr niedrigen Steuersätze anderer Staaten etwa durch Nachversteuerung von ins Ausland verschobenen Gewinnen oder durch Versagung des steuerlichen Betriebsausgabenabzugs reagieren. Die Höhe der Besteuerung soll sich dabei nach der Differenz zwischen der tatsächlichen Besteuerung im anderen Land und dem vereinbarten Mindeststeuersatz richten.

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October 26, 2021 08:28 ET (12:28 GMT)