Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich zuversichtlich gezeigt zu den wirtschaftlichen Perspektiven Deutschlands und der Europäischen Union (EU) und gleichzeitig vor einem Subventionswettlauf mit den USA gewarnt. Er forderte von der EU-Kommission eine detaillierte Analyse zu den US-Subventionen für klimafreundliche Technologien. Europa brauche sich mit seinen eigenen Förderprogrammen nicht vor den USA zu verstecken. Die EU sollte vielmehr engere Beziehungen mit den USA suchen, wie Scholz in seiner Regierungserklärung vor dem EU-Gipfel sagte. Hier seien die Gespräche über die Auswirkungen das amerikanischen Klima-Gesetzes, der sogenannte Inflation Reduction Act, hilfreich.

Der Bundeskanzler wies Pessimismus zur deutschen und europäischen Wirtschaft zurück. Seit Monaten habe ein Chor mit düsteren Prophezeiungen wahlweise eine tiefe Rezession, die Deindustrialisierung Europas oder die Abwanderung von Zukunftstechnologien an die Wand malen.

"Keines dieser Negativ-Szenarien ist bislang eingetreten. Und sie werden auch nicht eintreten!", sagte Scholz in seiner Regierungserklärung im Bundestag. "Weil Deutschland und Europa die Segel richtig setzen - in Sachen Energiesicherheit und Energiewende, in Sachen Zukunftstechnologien und Rohstoffverfügbarkeit, in Sachen Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsförderung."

"Kassandra-Rufe" zu den Folgen der amerikanischen Politik aufgrund deren Auswirkungen auf Europa seien auch nicht angezeigt. Denn es sei doch begrüßenswert, dass die USA den Wandel hin zur Klimaneutralität jetzt endlich ähnlich entschlossen angehen wie Europa. Außerdem besitze Europa durchaus die wirtschaftlichen Voraussetzungen und die Förderinstrumente, um den klimaneutralen Wandel der Industrie zu meistern.

"Wenn man all das neben die Förderprogramme aus den USA im Umfang von 370 Milliarden Dollar legt, dann sieht man: Europa braucht sich nicht zu verstecken. Wir werden uns also sehr genau anschauen, ob und wo unsere Programme noch Lücken lassen und wie man diese dann schließen kann", sagte Scholz in seiner Regierungserklärung im Bundestag.


   Scholz warnt EU vor ungehemmtem Subventionswettlauf mit den USA 

Dafür brauche es aber zunächst eine "sorgfältige Analyse", wie sie die EU Kommission in Aussicht gestellt habe.

"Ein ungehemmter Subventionswettlauf mit den USA wäre aber mit Sicherheit der falsche Weg", warnte Scholz. Wichtig sei vielmehr, den freien und fairen Handel voranzubringen. Neben dem Ausbau von Freihandelsabkommen mit Australien, Indien und Indonesien will Scholz auch die Wirtschaftsbeziehungen zu den USA weiter vertiefen.

"Unsere laufenden Gespräche über den Inflation Reduction Act sind dafür eine gute Ausgangsbasis - jedenfalls dann, wenn die USA auf Regeln verzichten, die europäische Unternehmen zum Beispiel gegenüber Unternehmen aus Kanada und Mexiko benachteiligen. Darüber beraten wir mit unseren amerikanischen Freunden - partnerschaftlich, gelassen und vertrauensvoll", so Scholz.


   EU muss Wettbewerbsfähigkeit stärken 

Für die EU sei wichtig, die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, wie Scholz betonte. Dazu gehöre, das bestehende Beihilferecht zu vereinfachen, Förderentscheidungen schneller und berechenbarer zu treffen und vorhandene Finanzinstrumente flexibler zu nutzen.

Neben der Flexibilisierung des europäischen Beihilferechts müssten zweitens europäische Produktionskapazitäten für fortschrittliche, saubere Technologien ausgeweitet werden - etwa im Energie-, Bau- und Verkehrsbereich. "Nur so werden wir die absehbar stark steigende Nachfrage danach bedienen können", sagte Scholz.

Drittens müsse die EU weiter auf freien und fairen Handel setzten. "Denn unter den Bedingungen einer De-Globalisierung kann die weltweit nötige Transformation hin zur Klimaneutralität nicht gelingen. Dafür braucht es fairen Wettbewerb, Innovationen, offene Märkte und globalen Handel, der hohe Sozial- und Umweltstandards voranbringt", mahnte Scholz.


   Chancen für EU-Asylpolitik 

Mit Blick auf die steigenden Migrationszahlen, die ein weiteres wichtiges Thema beim EU-Gipfel sind, sieht Scholz nach Jahren des Stillstands Chancen für Veränderungen. Es habe Fortschritte gegeben bei der Erfassung der Asylbewerber, die nach Europa kommen. Außerdem gebe es Vorschläge zu einer wirksameren Kontrolle der europäischen Außengrenzen. Auch gehe man mit dem freiwilligen Solidaritätsmechanismus in der EU zur Übernahme von Asylsuchenden neue Wege. Zudem verknüpfe man die Verantwortung der Außengrenzstaaten für die Kontrolle und Registrierung von Asylsuchenden mit der Solidarität der anderen.

"Deshalb ich bin zuversichtlich, dass eine Reform des europäischen Asylsystems noch in der laufenden europäischen Legislaturperiode möglich ist, wenn wir das Tempo und den Pragmatismus der vergangenen zwölf Monate beibehalten", sagte Scholz.

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

DJG/aat/mgo

(END) Dow Jones Newswires

February 08, 2023 08:02 ET (13:02 GMT)