Bern (awp) - Die Schweizer Wirtschaft ist auch im dritten Quartal 2021 deutlich gewachsen. Mittlerweile hat das Bruttoinlandprodukt (BIP) das Vorkrisenniveau sogar wieder klar übertroffen. Der Ausblick ist angesichts der Corona-Entwicklung allerdings sehr unsicher.

Konkret stieg das BIP in der Periode von Juli bis September 2021 gegenüber dem Vorquartal um 1,7 Prozent, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Freitag mitteilte. Der Anstieg kommt nicht überraschend, wenn auch etwas höher als erwartet. Bereits im zweiten Quartal war das BIP um 1,8 Prozent gewachsen, während das erste Quartal coronabedingt schwach ausgefallen war.

Profitiert haben im dritten Quartal vor allem die Sektoren, die im ersten Halbjahr noch von den Corona-Massnahmen gebremst worden waren. So stiegen etwa die Umsätze im Gastgewerbe nach der Wiederöffnung der Betriebe sprunghaft an, so dass sich die Wertschöpfung gemäss den Seco-Zahlen im Vergleich zum zweiten Quartal mehr als verdoppelte (+111%). Der Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung (+25%) registrierte im Zuge der Lockerungen ebenfalls ein sehr starkes Wachstum.

"Die Erholung ist im Laufe des Jahres wie erwartet vom Industrie- zum Dienstleistungssektor übergegangen", sagte Ronald Indergand, Leiter des Ressorts Konjunktur beim Seco, zur Nachrichtenagentur AWP. Insbesondere das Gastgewerbe, der Unterhaltungssektor und Transportsektor hätten sich sehr stark erholt.

Dagegen wirkten sich die Lieferengpässe in gewissen Sektoren - etwa in der Automobilindustrie - negativ auf das BIP aus. So sanken beispielsweise die Ausrüstungsinvestitionen im Quartalsvergleich um 1,3 Prozent.

Über dem Vorkrisenniveau

Mit den starken Wachstumszahlen in den letzten beiden Quartalen hat die hiesige Wirtschaft bereits wieder das Vorkrisenniveau erreicht. Insgesamt lag das BIP im Berichtsquartal laut den Seco-Angaben nämlich um 1,1 Prozent über dem Niveau des vierten Quartals 2019.

Damit ist die Erholung hierzulande deutlich schneller vorangekommen als in anderen europäischen Ländern. In Deutschland etwa beträgt die Lücke noch 1,1 Prozent, in Frankreich 0,1 Prozent, in Italien 1,4 Prozent und in Spanien mit seinem starken Tourismus-Sektor gar 6,6 Prozent. Auch Grossbritannien (-2,1%) oder Japan (-2,2%) liegen noch deutlich zurück. Noch schneller erholt haben sich hingegen die USA: Dort lag das BIP im dritten Quartal um 1,4 Prozent über dem Vorkrisenniveau.

Die Erholung dürfte sich auch in den ersten beiden Monaten des laufenden vierten Quartales fortgesetzt haben, so Indergand. Doch für die weiteren Monate seien die Aussichten nun aufgrund der jüngsten Corona-Entwicklung in der Schweiz und in wichtigen Exportländern wie Deutschland, aber auch wegen der Verschärfung der Lieferkettenprobleme etwas eingetrübt.

Deutliche Verlangsamung im vierten Quartal

Das sehen auch Bankökonomen so. Der Ausblick für die kommenden Monate sei angesichts von steigenden Fallzahlen und den Lieferschwierigkeiten in der Industrie verhalten, sagte etwa CS-Ökonom Claude Maurer zu AWP. Und Karsten Junius von Safra Sarasin bringt es so auf den Punkt: "Die besten Wachstumszahlen haben wir mit dem dritten Quartal nun gesehen. Für das vierte Quartal ist mit einer deutlichen Wachstumsverlangsamung zu rechnen."

Ein Gau für das Wachstum wären laut Indergand vom Seco vor allem erneute Betriebsschliessungen etwa im Gastgewerbe, während die Auswirkungen von wieder verstärktem Homeoffice weniger schlimm bzw. nur punktuell wären. Insgesamt hätte ein weiterer Lockdown wohl nicht mehr so schlimme Auswirkungen wie der erste Lockdown zu Beginn der Pandemie, meinen denn auch die meisten Ökonomen.

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