Oslo (Reuters) - Inmitten großer Sorgen um die Versorgungssicherheit Europas haben norwegische Öl- und Gasarbeiter ihre Arbeit im Kampf für höhere Löhne niedergelegt.

"Der Streik hat begonnen", sagte der Vorsitzender der Gewerkschaft Lederne, Audun Ingvartsen, am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Die Maßnahmen könnten in den nächsten Tagen ausgeweitet werden, wodurch die Gasproduktion des Landes um fast ein Viertel sinken könnte. An den Rohstoffmärkten stiegen deshalb die Preise: Der britische Großhandelspreis für Gas bei Lieferung am nächsten Tag sprang um gut 18 Prozent in die Höhe.

Das norwegische Arbeitsministerium kündigte an, den Konflikt "aufmerksam" zu verfolgen: Es kann eingreifen und einen Streik beenden, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen. Die Mitglieder der Lederne-Gewerkschaft, die rund 15 Prozent der Offshore-Arbeiter vertritt, hatten einen bereits ausgehandelten Tarifvertrag abgelehnt. Die anderen Gewerkschaften haben ihn hingegen akzeptiert und wollen nicht streiken.

Der Arbeitskampf begann um Mitternacht auf drei Feldern - Gudrun, Oseberg Süd und Oseberg Ost. Ab Mittwoch soll er auf drei weitere Felder - Kristin, Heidrun und Aasta Hansteen - ausgeweitet werden. Ein siebtes Feld, Tyrihans, muss ebenfalls am Mittwoch geschlossen werden, da dessen Produktion von Kristin verarbeitet wird.

"FOLGEN UNKLAR"

Die Produktion werde infolge der Arbeitsniederlegung am Dienstag um 89.000 Barrel Öläquivalent pro Tag gedrosselt, wovon 27.500 auf die Gasproduktion entfielen, teilte der norwegische Energiekonzern Equinor mit. Bei einer weiteren geplanten Eskalation bis Samstag könnten nach einer Reuters-Berechnung fast ein Viertel der norwegischen Gasproduktion sowie rund 15 Prozent der Ölförderung lahmgelegt werden. "Die Folgen dieser Eskalation sind noch nicht klar", räumte Equinor ein.

Für die EU-Staaten kommt die Arbeitsniederlegung zur Unzeit, sind sie doch wegen ausbleibender russischer Lieferungen auf mehr Gas aus Norwegen angewiesen. Beide Seiten wollten die Zusammenarbeit intensivieren, um kurz- und langfristig zusätzliche Gaslieferungen aus Norwegen zu gewährleisten, teilten die EU und Westeuropas größter Gasproduzent Ende Juni mit. Russland hat etwa die Lieferungen unter anderem an Polen und die Niederlande eingestellt, weil diese Staaten die von der Regierung in Moskau eingeführten neuen Bezahlmodalitäten in Rubel ablehnten.

Aufgrund der Lieferkürzungen hat Norwegen seine Gasproduktion bereits hochgefahren und erklärt, seinen Absatz dieses Jahr um acht Prozent zu steigern. Die EU importiert bisher rund 20 Prozent ihres Gases aus Norwegen. Aus Russland kamen vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar rund 40 Prozent.

(Bericht von Gwladys Fouche und Nora Buli, geschrieben von Rene Wagner. Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)