BRÜSSEL (dpa-AFX) - Der jahrelange Streit der Christdemokraten im Europaparlament mit der Partei Fidesz des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban steht vor einer Entscheidung. Die Fraktion der Europäischen Volkspartei will am Mittwoch (ab 09.30 Uhr) über eine neue Geschäftsordnung abstimmen, die eine Suspendierung des Fidesz ermöglichen würde. Für den Fall einer Annahme hat Orban mit dem Ausstieg aus der Fraktion gedroht.

Der rechtskonservative Orban gerät seit Jahren immer wieder in Konflikt mit der Parteienfamilie EVP, der auch CDU und CSU angehören. Auf Parteiebene ist die Mitgliedschaft des Fidesz bereits seit 2019 suspendiert, unter anderem wegen mutmaßlicher Verstöße gegen EU-Grundwerte sowie wegen Verbalattacken gegen den damaligen EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Zur Fraktion gehören die Fidesz-Abgeordneten bislang weiter. Nun könnte auch da die Suspendierung kommen.

Der österreichische Abgeordnete Othmar Karas forderte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur, trotz Orbans Austrittsdrohung die Geschäftsordnung wie geplant zu ändern. "Wir dürfen aus Haltungsgründen, aus Glaubwürdigkeitsgründen nicht vor einer derartigen Politik in die Knie gehen", sagte der ÖVP-Politiker und Vizepräsident des EU-Parlaments. Der Fidesz habe keinerlei Anstalten gemacht, sich zu verändern. "Wir werden nicht zulassen, dass Orban jetzt wieder mit Erpressung erfolgreich ist." Ähnlich äußerten sich Vertreter der nordischen und baltischen EVP-Parteien.

Ein Bruch wäre auch eine Zäsur für den EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU), der lange zu vermitteln versuchte, zuletzt aber in scharfen Konflikt mit Orban geriet. Die EVP-Fraktion würde schrumpfen

- von derzeit 187 Abgeordneten gehören zwölf dem Fidesz an -, bliebe

aber größte Gruppe im Europaparlament. Politisch bedeutsam ist, zu welcher Fraktion der Fidesz wechseln würde. Die Ungarn könnten die rechtsnationale EKR stärken, in der die polnische PiS sitzt, oder die stramm rechte Fraktion ID, zu der AfD und italienische Lega gehören.

Orban hat die EU immer wieder mit seinem Plan einer "illiberalen" Demokratie provoziert. Kritisiert werden unter anderem seine Flüchtlings-, Medien-, Hochschul- und Justizpolitik. Gegen Ungarn läuft ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge - dies gilt als schärfste Sanktionsmöglichkeit gegen einzelne Mitgliedstaaten, die mutmaßlich EU-Grundwerte verletzen. Ende 2020 hatte Ungarn zeitweise den EU-Haushalt blockiert, weil es einen neuen Rechtsstaatsmechanismus ablehnte. Letztlich fand sich ein Kompromiss./wim/DP/zb