Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) droht ohne Gegensteuern im Jahr 2025 ein Rekorddefizit von 27,3 Milliarden Euro. Das ist das Ergebnis einer Studie des Iges-Instituts, das die Krankenkasse DAK in Auftrag gegeben hat. Ohne Gegenmaßnahmen würde das für Versicherte rechnerisch einen Anstieg des Zusatzbeitragssatzes von derzeit 1,3 Prozent auf durchschnittlich 2,9 Prozent bedeuten. Bereits im kommenden Jahr könnten die Krankenkassen die absehbare Finanzlücke nicht mehr mit den vorhandenen Finanzreserven ausgleichen können. Der tatsächlich erforderliche Bundeszuschuss müsse im kommenden Jahr auf 15,6 Milliarden Euro klettern, das ist mehr als doppelt so viel wie derzeit im Bundeshaushalt eingeplant.

"Eine Schlüsselrolle bei der künftigen Gegenfinanzierung der GKV-Ausgaben könnte versicherungsfremden Leistungen zukommen", erklärte das Iges-Institut. Hauptgrund für die schlechtere wirtschaftliche Situation der Krankenkassen ist demnach nicht die Corona-Pandemie, da die Mittel zur Bekämpfung der Pandemie wesentlich mit Steuermitteln des Bundes beglichen wurden. Eine wesentliche Ursache für die verschlechterten Finanzperspektiven sei, dass sich die Ausgaben der GKV seit Jahren stärker erhöhten als ihre Finanzierungsbasis. Das Ausgabenplus seit 2009 habe jahresdurchschnittlich bei vier Prozent gelegen, während die beitragspflichtigen Einnahmen im Durchschnitt um 3,5 Prozent stiegen.

"Ein wichtiger Ausgabenfaktor der Krankenkassen sind sogenannte versicherungsfremde Leistungen", erklärte das Iges-Institut. Dazu gehörten die beitragsfreie Mitversicherung von Familienmitgliedern, Erziehungs- und Mutterschaftsgeld, Krankengeld oder allgemeine Präventionsleistungen.


DAK fordert Kassensturz nach Bundestagswahl 

DAK-Gesundheit-Chef Andreas Storm erklärte, angesichts des drohenden Rekorddefizits müsste die Politik handeln. Auch monierte er, dass die preistreibende Gesetzgebung der Bundesregierung in den vergangenen Jahren zum drohenden Milliarden-Defizit der GKV beitragen hätten. Dazu kämen höhere Kosten aufgrund des medizinisch-technischen Fortschritts und die demographische Entwicklung.

"Die steigende Finanzlücke bis 2025 bedroht die Handlungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung", sagte Storm. "Wenn jetzt nicht gehandelt wird, droht den Versicherten schon 2023 der historisch größte Beitragssprung. Die aktuelle Iges-Analyse untermauert die Notwendigkeit eines Kassensturzes nach der Bundestagswahl und dringender Strukturreformen."


Arbeitgeber alarmiert 

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger nannte die Finanzprognose der gesetzlichen Krankenkassen ein Alarmsignal und forderte von der Politik Gegenmaßnahmen. "Der drohende Rekordanstieg bei den Krankenkassenbeiträgen muss verhindert werden", so Dulger. "Wir brauchen gleich nach der Bundestagswahl in allen Zweigen der Sozialversicherung umfassende Reformen, denn auch in der Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung drohen 2023 höhere Beiträge. Die 40-Prozent-Grenze bei den Sozialabgaben muss gehalten werden."

Der Bundeszuschuss an die Krankenversicherung müsse verlässlich und ausreichend sein. Außerdem seien Maßnahmen nötig, um den Kostendruck zu reduzieren, der durch die ausgabenfreudigen Gesetze der letzten Jahre nochmal erhöht wurde. Nötig seien eine Stärkung des Wettbewerbs und ein konsequentes Versorgungsmanagement.

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June 14, 2021 07:30 ET (11:30 GMT)