FRANKFURT (dpa-AFX) - Die türkische Lira hat am Montag trotz einer überraschenden Zinserhöhung der türkischen Notenbank in der vergangenen Woche die Talfahrt wieder aufgenommen und im Handel mit dem US-Dollar und dem Euro Rekordtiefs erreicht. Marktbeobachter erklärten den aktuellen Kursrutsch der türkischen Währung mit geopolitischen Risiken durch die jüngste Eskalation in der Konfliktregion Berg-Karabach zwischen den Nachbarländern Armenien und Aserbaidschan. Zwischen beiden Staaten gilt mittlerweile der Kriegszustand, wobei die Türkei als Schutzmacht des islamisch geprägten Aserbaidschan gilt.

In der vergangenen Nacht mussten für einen US-Dollar zeitweise 7,82 Lira gezahlt werden und damit so viel wie noch nie. Im Handel mit dem Euro zeigte sich das gleiche Bild. Hier fiel der Kurs in der Nacht zum Montag ebenfalls auf ein neues Rekordtief, wobei bis zu 9,10 Lira für einen Euro gezahlt wurden. Im Handel mit dem Euro hat die türkische Währung seit Beginn des Jahres mittlerweile etwa ein Drittel an Wert verloren.

In der vergangenen Woche hatte sich die türkische Notenbank mit einer deutlichen Zinserhöhung gegen den Verfall der heimischen Währung gestemmt. Der Leitzins war für die Märkte überraschend um 2,0 Prozentpunkte auf 10,25 Prozent angehoben worden. Zuvor hatte vor allem eine hohe Inflationsrate von fast 12 Prozent die türkische Lira unter Druck gesetzt, wobei die Währung immer neue Rekordtiefs zum Dollar und zum Euro erreicht hatte.

Die Notenbank steht nach Einschätzung von Experten unter erheblichen Druck des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, der niedrige Zinsen zur Stützung der Konjunktur verlangt. Die Zinserhöhung kam daher für Beobachter überraschend. Die Zentralbank hatte vor der Zinserhöhung bereits die tatsächlichen Refinanzierungskosten für Banken erhöht, in dem sie die Liquiditätsversorgung zu günstigen Konditionen einschränkte. Damit wollte man offenbar eine offizielle Zinserhöhung umgehen.

Nach Einschätzung des Devisenexperten Tatha Ghose von der Commerzbank wird die Wirksamkeit der Zinserhöhung davon abhängen, ob Präsident Erdogan eine konventionelle Geldpolitik mit notwendigen Zinserhöhungen unterstützt oder ob die türkische Notenbank gegen den Willen des Präsidenten gehandelt hat. Sollte die geldpolitische Entscheidung gegen den Willen Erdogans gefällt worden sein, "wird der Markt die Zinserhöhung nicht als Bestandteil eines konsistenten Rahmenkonzepts und auch nicht als nachhaltig einschätzen", sagte Experte Ghose./jkr/ssc/zb