ANKARA (awp international) - Die türkische Notenbank hat ihren Leitzins trotz der sehr hohen Inflation überraschend gesenkt. Der Leitzins falle um 1,0 Prozentpunkte auf 13,0 Prozent, teilte die Zentralbank am Donnerstag in Ankara mit. Volkswirte hatten im Schnitt mit einem unveränderten Leitzins von 14 Prozent gerechnet. Es ist die erste Zinssenkung seit Dezember, nachdem die Zentralbank im vergangenen Jahr mehrfach die Zinsen reduziert hatte.

Die türkische Lira geriet nach der überraschenden Entscheidung zum US-Dollar und Euro deutlich unter Druck. So stieg der Dollar auf über 18 Lira und notierte damit nur knapp unter dem Rekordstand vom Dezember 2021. Die Kurse von türkischen Staatsanleihen gaben merklich nach. Türkische Aktien fielen zunächst, erholten sich dann aber rasch wieder.

Die Inflation war im Juli auf 79,6 Prozent gestiegen. Eigentlich wären also nach ökonomischer Lehrmeinung deutliche Zinserhöhungen angesagt. Allerdings ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ein Gegner hoher Zinsen. Er hat immer wieder Druck auf die Notenbank ausgeübt und zuletzt eine Zinssenkung angekündigt. 2023 finden in der Türkei Präsidentschaftswahlen statt.

Die Ursachen für die hohe Inflation sind vielfältig. Seit längerem sorgt die schwache Landeswährung Lira für Preisauftrieb, da sie die in die Türkei importierten Güter wechselkursbedingt verteuert. Hinzu kommen Probleme in den internationalen Lieferketten, die Vorprodukte teurer machen. Der Krieg in der Ukraine hat die Preise für Energie und Lebensmittel verteuert.

Die türkische Notenbank verwies in ihrer Begründung für die Zinssenkung auf die wachsenden geopolitischen Risiken für das Wirtschaftswachstum. Eine schwächere Entwicklung bei den Handelspartnern könne zudem den Aussenhandel belasteten. Zudem seien die bisherigen Zinssenkungen nicht ausreichend am Anleihemarkt angekommen./jsl/la/jha/