--2021 leichte Erholung bei Umsatz und Produktion erwartet

--Beschäftigung dürfte unter beschleunigten Strukturwandel leiden

--Kullmann fordert Regierung auf, das Erneuerbare-Energien-Gesetz zu kippen

(NEU: weitere Details, Informationen aus der Pressekonferenz)

Von Olaf Ridder

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Chemiebranche in Deutschland rechnet nach den Einbrüchen im Corona-Jahr 2020 für die Folgejahre wieder mit Wachstum. "Die Stimmung in unseren Unternehmen ist nun mehrheitlich zuversichtlich", sagte Christian Kullmann, der Präsident des Branchenverbandes VCI. Mehrheitlich rechneten die Betriebe für 2021 mit Umsatzzuwächsen im In- und Ausland.

Das nächste Jahr bleibe aber schwierig, die Nachfrage werde sich nur langsam erholen. Nur ein Viertel der chemisch-pharmazeutischen Unternehmen erwartet nach einer Umfrage, die Verluste schon 2021 wieder aufholen zu können, 41 Prozent sehen dies erst für 2021, weitere 6 Prozent noch später. Damit sei klar, dass das Niveau von 2019 nicht vor Ende 2021 wieder erreicht werde, sagte Kullmann. "Und ich erinnere daran, dass 2019 mit den damaligen Handelskonflikten schon kein Jahr war, wo die Sektkorken geknallt haben."

Konkret rechnet der VCI für 2021 mit einem Produktionszuwachs um 1,5 Prozent und - bei 1 Prozent höheren Preisen - mit einem Umsatzanstieg von 2,5 Prozent. Konnte die Beschäftigung im laufenden Jahr dank Kurzarbeiterregelungen noch konstant gehalten werden, so erwartet sie der VCI im nächsten Jahr um 1 Prozent rückläufig. Der Strukturwandel in der Branche werde durch die Corona-Krise beschleunigt, so der Verband.

Derzeit sind in Deutschlands drittgrößter Branche nach der Automobilindustrie und dem Maschinenbau 464.000 Mitarbeiter beschäftigt. Rund 50.000 Mitarbeiter haben im Mai kurzgearbeitet, so der VCI. Derzeit gelte dies noch für 35.000 - Tendenz trotz der jüngsten Beschränkungen weiter fallend.

Der aktuelle Lockdown tue weh, sei aber notwendig, sagte Kullmann. Gegenwärtig seien die Aussichten der Branche davon nicht eingetrübt. Die neuerlichen Corona-Einschränkungen belasteten die Chemieindustrie derzeit kaum.

2020 insgesamt wird Corona tiefe Spuren in der Chemiebranche hinterlassen haben. Die Umsätze dürften um 6 Prozent und die Produktion um 3 Prozent schwächer ausfallen, bekräftigte der VCI seine Prognose. Angesichts der schwachen Nachfrage und der niedrigen Ölpreise sollten auch die Chemikalienpreise im Schnitt um 2 Prozent gefallen sein. Gleichwohl sei die Chemieindustrie insgesamt besser durch die Krise gekommen als andere Sektoren der Wirtschaft.

Kullmann äußerte sich zuversichtlich, dass die in diesem Jahr wahrscheinlich um 5 Prozent reduzierten Investitionen nur vorschoben seien. So hätten 30 Prozent der befragten Betriebe erklärt, dass sie 2021 wieder mehr investieren wollten, und weitere 50 Prozent wollten die Ausgaben konstant halten. An der Forschung hätten die Chemiefirmen auch im Corona-Jahr nicht gespart.

Mit Blick auf den Klimaschutz forderte Kullmann die Bundesregierung auf, das Erneuerbare-Energien-Gesetz zugunsten von marktwirtschaftlichen Ordnungsprinzipien abzuschaffen und den deutschen Sonderweg aufzugeben. "Wir brauchen viel mehr Grünstrom, und wir brauchen noch günstigeren Grünstrom", sagte Kullmann. "Sowohl das aktuelle Umlagen- und Abgabensystem in Deutschland als auch der derzeitige EU-Beihilferahmen sind ungeeignet, die Transformation zu begleiten."

Zum politischen Wechsel in den USA sagte Kullmann, der VCI begrüße die Wahl von Joe Biden. Die Beziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten bekämen damit wieder eine bessere Qualität. "Ob der Ton zu einer veränderten Faktenlage führt, bleibt aber abzuwarten", sagte der VCI-Präsident, der auch den Spezialchemiekonzern Evonik führt. "Hier bin ich vorsichtig, aber auch nicht skeptisch."

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December 16, 2020 06:35 ET (11:35 GMT)