-- Merkel: Mutiertes Virus ist ernsthafte Gefahr

-- Arbeitgeber müssen Homeoffice anbieten, wo möglich

-- Auch Schulen bleiben grundsätzlich geschlossen

(NEU: weitere Details, weitere Aussagen von Merkel, Müller, Söder)

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Bund und Länder haben nach fast achtstündigen Diskussionen eine Verlängerung und Verschärfung des Lockdowns zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie beschlossen. Die Maßnahmen sollen mindestens bis zum 14. Februar gelten. Vorgesehen ist unter anderem auch eine Pflicht zum Tragen medizinischer Masken in Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln und eine Homeoffice-Pflicht, wo möglich, so der Beschluss nach einer Videokonferenz von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Länderchefs. "Auf die nächsten Wochen in der Pandemie kommt es entscheidend an", betonten Bund und Länder in einer Erklärung.

Geschäfte mit nicht lebensnotwendigen Gütern, Kultur- und Freizeiteinrichtungen bleiben somit weiter zu. Auch Schulen und Kindergärten bleiben grundsätzlich geschlossen beziehungsweise die Präsenzpflicht ausgesetzt. Vor allem über den Umgang mit den Schulen hatte es nach Berichten heftige Diskussionen gegeben, die Sitzung wurde demnach zeitweise unterbrochen. "Wir haben lange gerungen um das, was im Bereich Kinder und Schule notwendig ist", sagte Merkel bei einer Pressekonferenz. Private Zusammenkünfte sind weiter im Kreis des eigenen Hausstandes und mit maximal einer weiteren Person gestattet. Merkel mahnte, die Zahl der Haushalte, aus der die weiteren Personen kommen, möglichst konstant und klein zu halten.

Die Pflicht zum Tragen von Mund-Nasen-Schutz in öffentlichen Verkehrsmitteln und Geschäften wird "verbindlich auf eine Pflicht zum Tragen von medizinischen Masken konkretisiert". Dazu zählen Bund und Länder nicht nur virenfilternde Masken der Standards KN95 oder FFP2, sondern auch die sogenannten OP-Masken. So genannte "Alltagsmasken" aus Stoff zählen aber nicht dazu. Generell wird in Situationen, in denen ein engerer oder längerer Kontakt zu anderen Personen, insbesondere in geschlossenen Räumen unvermeidbar ist, die Nutzung medizinischer Masken angeraten. In den Alten- und Pflegeheimen ist für das Personal beim Kontakt mit den Bewohnern eine FFP2-Maskenpflicht vorgesehen.

Im Berufsleben sollen die epidemiologisch relevanten Kontakte weiter reduziert werden. Arbeitgeber sollen nach einer Verordnung des Bundesarbeitsministeriums befristet bis zum 15. März ihren Arbeitnehmern "überall dort, wo es möglich ist", das Arbeiten im Homeoffice ermöglichen müssen, "sofern die Tätigkeiten es zulassen". Dadurch sollen Kontakte am Arbeitsort, aber auch auf dem Weg zur Arbeit reduziert werden. Wo Arbeiten in Präsenz weiter erforderlich ist, soll die Belegung von Räumen reduziert werden, oder Arbeitgeber sollen den Arbeitnehmern medizinische Masken zur Verfügung stellen. Zudem soll der Pendlerverkehr durch flexiblere Arbeitszeiten entzerrt werden.


   Bund nimmt Abschlagszahlungen direkt vor 

Die Überbrückungshilfe 3 des Bundes für die von dem Corona-Lockdown betroffenen Betriebe wird verbessert. Der Einzelhandel kann nun auch nicht verkäufliche Saisonware bei den Fixkosten abschreiben. Der Bund vereinfacht außerdem die Zugangsvoraussetzungen und hebt die monatlichen Förderhöchstbeträge für Unternehmen und Soloselbstständige deutlich an. "Der Bund wird die Abschlagszahlungen deutlich anheben und direkt vornehmen", erklärten Bund und Länder. Die Zahlungen sollten im Februar erfolgen. Zudem sollen bestimmte digitale Wirtschaftsgüter rückwirkend zum 1. Januar 2021 sofort abgeschrieben werden und somit Computerkosten voll berücksichtigt werden können.

Merkel betonte, die aktuellen Zahlen seien "für uns alle Anlass zur Hoffnung", jedoch drohe durch die Mutation des Virus eine "ernsthafte Gefahr". Die verschärften Maßnahmen erfolgten deshalb aus "Vorsorge" für das Land und auch dessen Wirtschaft. Die Kanzlerin zeigte sich aber zufrieden mit den Beschlüssen: "Es hat lange gedauert, ich glaube, es hat sich gelohnt." Es sei "hart, was wir noch einmal den Menschen zumuten müssen", aber das Vorsorgeprinzip habe Vorrang. Würden die Maßnahmen gut eingehalten, habe man eine "faire Chance" auf Lockerungen ab dem 15. Februar - man könne dies aber "nicht mit letzter Sicherheit sagen".

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) betonte als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz bei derselben Pressekonferenz, das mutierte Virus mache vor Ländergrenzen nicht halt. "Wir müssen uns auf diese Situation genau jetzt vorbereiten." Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) lobte Merkels Engagement in der Diskussion um die Schulen. Er sei "dankbar, dass die Kanzlerin selbst in die Bütt gestiegen ist", sagte Söder.

Bund und Länder wollen laut dem Beschluss "rechtzeitig vor dem Auslaufen der Maßnahmen" erneut zusammenkommen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Ein konkretes Datum wird nicht genannt. Eine Arbeitsgruppe der Leitungen von Bundeskanzleramt und Staats- und Senatskanzleien soll "bis dahin ein Konzept für eine sichere und gerechte Öffnungsstrategie" erarbeiten.

(Mitarbeit: Andrea Thomas)

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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January 19, 2021 17:11 ET (22:11 GMT)