--Volkswirte hatten Stagnation erwartet

--Privater Konsum belastet

--Volkswirte sehen nun doch milde Rezession

(NEU: Revision Gesamtjahr 2022, Kommentare von Bankvolkswirten)

Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Die deutsche Wirtschaft ist im vierten Quartal 2022 entgegen den Erwartungen etwas geschrumpft und wurde vor allem von einer Schwäche des privaten Konsums belastet. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte, sank das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem Vorquartal saison- und kalenderbereinigt um 0,2 Prozent und lag kalenderbereinigt um 1,1 Prozent über dem Niveau des Vorjahresquartals. Besonders die Konsumausgaben, die die deutsche Wirtschaft im bisherigen Jahresverlauf gestützt hatten, waren niedriger als im Vorquartal.

Die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte hatten eine Stagnation auf Quartalssicht und eine Jahreswachstumsrate von 1,3 Prozent prognostiziert. Bei der Berechnung des BIPs für das Jahr 2022 hatte Destatis eine Stagnation der Wirtschaftsleistung im Schlussquartal unterstellt. Das ursprünglich für das dritte Quartal gemeldete Wachstum von 0,4 Prozent wurde auf 0,5 Prozent revidiert und die Jahresrate auf 1,4 (vorläufig: 1,3) Prozent.


   BIP steigt 2022 kalenderbereinigt um revidiert 1,9 Prozent 

In der Folge revidierte Destatis die Angaben für das Gesamtjahr. Das preisbereinigte BIP stieg demnach um 1,8 (bisher: 1,9) Prozent, kalenderbereinigt beläuft sich der Zuwachs auf 1,9 (2,0) Prozent. Nach Angaben von Destatis sind diese Ergebnisse aufgrund der anhaltenden Corona-Krise und der Folgen des Krieges in der Ukraine mit größeren Unsicherheiten als sonst üblich behaftet.

Volkswirte sehen Deutschland nun doch in einer "technischen Rezession", das ist ein BIP-Rückgang in zwei aufeinander folgenden Quartalen. "Der schwere Absturz der deutsche Wirtschaft bleibt aus, doch eine leichte Rezession wird dennoch verzeichnet, denn auch im laufenden Quartal dürfte das deutsche BIP vermutlich nochmals leicht fallen", schrieb Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der liechtensteinischen VP Bank.

Nach Einschätzung von Alexander Krüger, Chefvolkswirt von Hauck Aufhäuser Lampe, wird Deutschland zwar um eine "fette Rezession" herumkommen, er sieht aber keinen Grund für Wachstumsoptimismus. "Wir haben immer breitere strukturelle Schwächen, und wir haben Wohlstandsverluste, die wir in den nächsten Jahren sicherlich nicht aufholen werden", sagte Krüger. Zuzuschreiben sei das weder der Corona-Pandemie noch dem Krieg, sondern der Energie-, Zuwanderungs- und Bildungspolitik des Staats und der überbordenden Bürokratie.


   Commerzbank: BIP sinkt 2023 um 0,5 Prozent 

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer fühlt sich nach Veröffentlichung der Daten für das vierte Quartal 2022 in seiner Prognose für die Wirtschaftsentwicklung Deutschlands 2023 bestätigt. "Ich rechne weiter damit, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 0,5 Prozent schrumpfen wird", schrieb er. Für eine - wenn auch milde - Rezession spreche neben der Konsumschwäche auch, dass die Zentralbanken in vielen Ländern wegen der Inflation ihre Zinsen massiv erhöht hätten. "Außerdem haben die deutschen Unternehmen wohl schon einen guten Teil des hohen, während Corona entstandenen Auftragsbergs abgearbeitet", kalkuliert Krämer.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

DJG/hab/kla

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January 30, 2023 05:43 ET (10:43 GMT)