--Verband sieht erstes Halbjahr für Innenstadthandel verloren

--44 Prozent der Händler erwarten mehr Umsatz im zweitem Halbjahr

--HDE rechnet 2021 mit 20 Prozent Plus im Onlinehandel

(NEU: Aussagen von Pressekonferenz)

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Der Handelsverband Deutschland (HDE) rechnet ohne weitere Lockdowns und bei niedrigen Infektionszahlen für den gesamten Handel mit einem Umsatzwachstum von 1,5 Prozent. Wachstumstreiber bleibe dabei vor allem der Onlinehandel, der seine Umsätze 2021 demnach um fast 20 Prozent steigern kann. "Die positive Entwicklung in den letzten Wochen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das erste Halbjahr insbesondere für den Innenstadthandel verloren ist", sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. "Extrem gelitten hat der Bekleidungseinzelhandel, dessen Erlöse um rund ein Drittel geschrumpft sein dürften."

Genth zeigte sich aber zuversichtlich für eine Besserung der Lage. "Die Leute wollen konsumieren, die Leute wollen einkaufen, das sieht man jetzt auch, wo die Geschäfte wieder geöffnet sind", sagte er bei einer Online-Pressekonferenz. "Wir gehen davon aus, dass der Lockdown-Handel sich nach der Wiedereröffnung der Geschäfte erholen wird."

Die Lage im Einzelhandel ist nach Angaben des Verbandes allerdings weiterhin von den Geschäftsschließungen im Lockdown der vergangenen Monate geprägt. So zeige eine aktuelle Umfrage des HDE unter 650 Handelsunternehmen aller Standorte, Größenklassen und Branchen, "dass mehr als die Hälfte der Innenstadthändler für das laufende Jahr mit Umsätzen unter Vorjahr rechnet". Demnach berichteten fast drei Viertel aller Handelsunternehmen von gesunkenen Umsätzen in den ersten sechs Monaten des Jahres.

Etwas weniger schlecht lief es laut der Konjunkturumfrage in Branchen, die im Bereich Freizeit, Heim und Garten aktiv sind. Dort lagen die Umsatzverluste in den ersten vier Monaten etwa im Bereich Heimwerken bei 16 Prozent, im Möbelhandel bei 12 Prozent. Einzelne Sortimente legten im bisherigen Jahresverlauf auch deutlich zu. Dazu zählen der Fahrradhandel und der Lebensmittelhandel. Große Umsatzgewinne erzielt demnach weiterhin der Onlinehandel. Der HDE hob angesichts eines Umsatzsprungs von rund 30 Prozent von Januar bis April seine Prognose für dieses Segment auf ein Umsatzplus von knapp 20 Prozent an, gegenüber bisher erwarteten plus 17 Prozent.


44 Prozent erwarten mehr Umsatz im zweiter Jahreshälfte 

Für die kommenden Monate erwartet laut HDE eine Mehrheit aller Händler eine Fortsetzung des Erholungsprozesses. So rechneten 44 Prozent mit einer Umsatzsteigerung im zweiten Halbjahr, aber nur 17 Prozent mit sinkenden Erlösen. Der stationäre Einzelhandel büßt in dem Szenario des HDE für dieses Jahr 1,1 Prozent seiner Erlöse ein, der stationäre Nonfoodhandel allein landet dabei bei einem Minus von minus 4,2 Prozent, der Lebensmittelhandel wächst um 3,1 Prozent.

"Die Krise ist noch nicht vorbei, für viele Einzelhändler ist die Lage nach wie vor sehr schwierig. Corona gibt es weiterhin, wir müssen lernen, damit zu leben", betonte Genth. "Die Branche braucht jetzt die richtigen Rahmenbedingungen von der Politik, um nach der Krise wieder durchstarten zu können." Die Händler stellten dabei nach der HDE-Umfrage insbesondere Forderungen gegen neue Steuerlasten, für mehr Wettbewerbsfairness in der Plattformökonomie und Unterstützung für Innenstädte in den Vordergrund.

Genth forderte eine "Wachstumsagenda statt Steuererhöhung", insbesondere dürfe der Handel auch nicht mit einer Mehrwertsteuererhöhung belastet werden. Auch müsse "mehr Marktüberwachung stattfinden", denn aus Drittländern würden nicht den Sicherheitsbestimmungen entsprechende Produkte und Plagiate eingeführt. Zudem mahnte er eine Investitionsoffensive für die Innenstädte" an, etwa durch Sonderabschreibungsmöglichkeiten für private Investitionen. Auch sei eine "Entfesselung" von Bürokratie nötig. "Heute ist es einfacher, ein Auslieferungslager auf der grünen Wiese hinzustellen, als in der Innenstadt ein aufgegebenes Kaufhaus mit neuem Leben zu erfüllen", sagte er.

Zudem wäre eine Sonntagsöffnung für den Innenstadthandel "eine gute Maßnahme, um verlorene Umsätze zurückzuholen". Kritisch zeigte sich der HDE-Hauptgeschäftsführer hingegen zu einem Wegfall der Maskenpflicht im Einzelhandel wie in Sachsen. Die Maskenpflicht habe sich bisher im Einzelhandel bewährt. "Insofern würde ich nicht vorschnell solche Dinge aufgeben, die eigentlich einen großen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie leisten."

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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July 14, 2021 06:19 ET (10:19 GMT)