--Hofmann: IG Metall hat sich noch nie an kurzfristigen Daten orientiert

--EZB-Zielinflationsrate von 2 Prozent bleibt Kernpunkt der Tarifpolitik

--Weitere Faktoren sind Produktivitätswachstum und Unternehmensgewinne

(NEU: Hintergrund)

Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Die IG Metall wird ihre Tariferhöhungsforderungen in der Tarifrunde 2022 nach den Worten ihres Ersten Vorsitzenden Jörg Hofmann nicht an den derzeit erhöhten Inflationsraten ausrichten. "Die IG Metall wird sich auch in diesem Jahr an den Kernpunkten unserer Tarifpolitik orientieren: Gesamtwirtschaftliche Produktivität, Zielinflationsrate der EZB und eine gerechte Verteilung sind und bleiben die tariflichen Leitplanken in allen Branchen", sagte Hofmannn in der Jahrespressekonferenz in Frankfurt.

Die Europäische Zentralbank (EZB) achtet derzeit besonders darauf, ob die aktuell sehr hohen Inflationsraten zu höheren Inflationserwartungen und damit erhöhten Lohnforderungen führen. Solche Zweitrundeneffekte bergen das Risiko einer mittelfristig überhöhten Inflation. Die EZB strebt mittelfristig 2 Prozent Inflation an. In Deutschland lag die Inflationsrate zuletzt allerdings bei 5,7 Prozent. Die gesamtwirtschaftliche Produktivität hat in den vergangenen 20 Jahren im Schnitt um 1 Prozent pro Jahr zugenommen.


   EZB-Chefvolkswirt Lane bringt Lohnwachstum von 3 Prozent ins Spiel 

EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hatte kürzlich gesagt, dass es bei Annahme einer Inflation von 2 Prozent und eines Produktivitätswachstums von 1 Prozent ein jährliches Lohnwachstum von 3 Prozent brauche - und zwar für den Durchschnitt des Euroraums. Die im vergangenen Jahr in Deutschland getroffenen Tarifabschlüsse sahen für 2022/2023 Lohnerhöhungen zwischen 1,4 (Textil- und Bekleidungsindustrie) und 2,8 Prozent (öffentlicher Dienst der Länder) vor.

Allerdings wurden europaweit viele Abschlüsse auf die Zeit nach dem Ende der Pandemie verschoben. Der Tarifvertrag in der deutschen Metall- und Elektroindustrie läuft im September aus. Hofmann sagte, die IG Metall habe ihre Lohnpolitik in den vergangenen Jahrzehnten nie am aktuellen Datenrand ausgerichtet, sondern immer an mittelfristigen volkswirtschaftlichen Zielkriterien.


   Hofmann: IG-Metall-Mitglieder erwarten höhere Reallöhne 

Derzeit seien die Produktivitätsdaten sehr vom Auf und Ab der Corona-Pandemie geprägt. "Natürlich werden wir ins Auge fassen, wie die Verteilungslage in unsere Branchen aussieht". sagte Hofmann. Die IG Metall sehe die erkennbar guten Unternehmensergebnisse "mit Interesse" und beobachte auch die Entwicklung der Inflation. "Die Erwartungen unserer Mitglieder sind klar: steigende Reallöhne, die sich in Tabellen wiederfinden und im Geldbeutel unserer Kolleginnen und Kollegen ankommen", sagte Hofmann.

Die im Dezember veröffentlichten Wachstums- und Inflationsprojektionen der EZB basieren auf der Annahme eines Lohnwachstums von je 2,9 in den Jahren 2023 und 2024. Die Deutsche Bank prognostiziert für 2022 einschließlich der deutschen Mindestlohnerhöhung ein Lohnwachstum von 3 Prozent.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

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January 27, 2022 06:25 ET (11:25 GMT)