--Ifo-Institut erwartet dieses Jahr 3,3 Prozent Wachstum

--Prognose für nächstes Jahr steigt deutlich auf 4,3 Prozent

--Lieferengpässe dämpfen kurzfristig, kräftige Erholung verschiebt sich

(NEU: Aussagen von Pressekonferenz)

Von Andreas Kißler

MÜNCHEN/BERLIN (Dow Jones)--Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung hat seine Prognose für das Wirtschaftswachstum in Deutschland für 2021 gesenkt, die Vorhersage für 2022 aber deutlich angehoben. Die Ökonomen erwarten für dieses Jahr nun 3,3 Prozent Wachstum und damit 0,4 Prozentpunkte weniger als noch im März. Dafür erhöhten sie ihre Vorhersage für das kommende Jahr um 1,1 Punkte auf 4,3 Prozent. Ifo-Präsident Clemens Fuest mahnte gute wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen an. "Die wirtschaftliche Zukunft in Deutschland hängt davon ab, dass wir aus der Krise herauskommen und dann aber auf einen Wachstumspfad kommen, der kräftig genug ist", sagte er.

Vor allem brauche man gute Rahmenbedingungen für private Investitionen, jedoch bestehe derzeit Unsicherheit zum Beispiel über die Energiepreise. Nach der Wahl werde es entscheidend sein, die steuerlichen Rahmenbedingungen nicht zu verschlechtern, wie dies etwa mit einer Vermögenssteuer geplant sei. "Sonst ist es unmöglich, dieses Wachstum hinzubekommen", warnte der Ifo-Präsident bei einer Online-Pressekonferenz.

Ifo-Ökonom Timo Wollmershäuser sah die deutsche Wirtschaft "im Spannungsfeld" zwischen Öffnungen und Lieferengpässen. "Kurzfristig dämpfend wirken vor allem die Engpässe bei der Lieferung von Vorprodukten", erklärte der Leiter der Ifo-Prognosen. "Die an sich kräftige Erholung, ausgelöst durch die Öffnungen, verschiebt sich etwas weiter nach hinten, als wir noch im Frühjahr erwartet hatten", fügte er hinzu. Die Lieferengpässe hätten globale Ursachen und vermutlich mit der Corona-Krise zu tun - wegen Transportengpässen und einer seit der Krise stark gestiegenen Nachfrage nach wichtigen Vorprodukten wie Mikrochips im Zuge verstärkter Digitalisierung und E-Mobilität.

Nach der Prognose werden die privaten Konsumausgaben 2021 um 1,6 Prozent und 2022 um 7,2 Prozent zulegen. Die Ausrüstungsinvestitionen erhöhen sich demnach dieses Jahr um 8,6 Prozent und nächstes um 6,8 Prozent. Mit der kräftigen Erholung dürfte die Zahl der Kurzarbeiter, die noch 2,3 Millionen im Mai betrug, rasch sinken und kommendes Jahr ihr Vorkrisenniveau erreichen, das bei etwa 100.000 lag. Die Zahl der Arbeitslosen dürfte auf 2,649 Millionen in diesem und 2,405 Millionen im kommenden Jahr sinken, was Arbeitslosenquoten von 5,8 Prozent und 5,2 Prozent entspricht.


   Zum Jahresende knapp 4 Prozent Inflation 

Die Inflationsrate wird sich nach der Prognose vorübergehend beschleunigen, von plus 0,6 Prozent beim deutschen Verbraucherpreisindex (VPI) im vergangenen Jahr auf plus 2,6 Prozent in diesem. Dazu trügen vor allem höhere Energiepreise und die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer bei. Wollmershäuser sagte voraus, die Spitze werde gegen Ende des Jahres erreicht. "Dann werden wir Monate sehen, in denen die Inflationsrate bei knapp 4 Prozent liegen wird."

Danach flache sich der Anstieg der Verbraucherpreise wieder ab auf plus 1,9 Prozent im Jahre 2022. Ein Risiko sei, dass die Verbraucher anders als unterstellt auf die in der Krise angehäufte Überschussersparnis zurückgreifen könnten. "Das würde dazu führen, dass die Inflation vermutlich noch höher ausfallen würde."

Die Geldpolitik dürfte im Prognosezeitraum nach Erwartung der Ifo-Forscher "die Finanzierungsbedingungen weiterhin günstig halten, ohne jedoch neue Impulse setzen zu können". Die Europäische Zentralbank (EZB) habe zuletzt ihre Ansicht bekräftigt, dass es sich bei dem jüngsten Inflationsanstieg nur um ein temporäres Phänomen handeln dürfte und daher ein Anziehen der geldpolitischen Zügel nicht bevorsteht. Bei einer etwaigen Straffung dürften zunächst die Anleiheankäufe im Rahmen des Programms PEPP zurückgefahren werden. So würden die Leitzinsen der EZB wohl auf absehbare Zeit an ihrer Untergrenze verharren.

Das Finanzierungsloch des Staates weitet sich im Wahljahr 2021 laut der Prognose zunächst noch geringfügig auf 150,4 Milliarden Euro aus - von 149,2 im vergangenen Jahr. Im kommenden Jahr werde es voraussichtlich auf 49,6 Milliarden Euro zurückgehen. Das hänge aber vom Wahlergebnis ab, erklärte das Institut. Der Außenhandel wird laut Ifo deutlich zulegen. Die Konjunkturforscher prognostizieren für die Exporte Zuwächse von 10,4 und 5,6 Prozent, die Importe sollen um 11,4 Prozent und 7,3 Prozent steigen. Daher schrumpfe der Überschuss der Leistungsbilanz auf 5,8 und dann 4,9 Prozent der Wirtschaftsleistung und damit erstmals seit Jahren auf unter 6,0 Prozent.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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June 16, 2021 06:07 ET (10:07 GMT)