--EZB hatte im Juli Zins-Guidance für September kassiert

--Schnabel: Aktuelle Inflationszahlen werden für Geldpolitik wichtiger

--EZB-Direktorin sieht erhöhte Risiken für Entankerung der Inflationserwartungen

(NEU: Details aus einem Interview mit Reuters)

Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Der Inflationsausblick für den Euroraum hat sich nach Aussage von EZB-Direktorin Isabel Schnabel gegenüber Juli, als die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Zinsen überraschend um 50 Basispunkte anhob, nicht verbessert. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters sagte Schnabel auf die Frage nach ihrer Präferenz für die September-Sitzung des EZB-Rats: "Im Juli haben wir wegen des Inflationsausblick eine Anhebung um 50 Basispunkte beschlossen. Ich sehe momentan keine fundamentale Veränderung des Inflationsausblicks."

Der EZB-Rat hatte im Juli seine Zins-Guidance kassiert, der zufolge im September ein Zinsschritt von über 25 Basispunkten gerechtfertigt sein könnte. Das Gremium will von nun an von Meeting zu Meeting entscheiden und keine explizite Orientierung mehr geben. Schnabel deutet in dem Interview jedoch ihre Präferenz für September an.

Sie macht ein ihrem Interview außerdem deutlich, dass die EZB wegen der strukturellen Verwerfungen durch Corona und den Ukraine-Krieg kein besonderes Zutrauen zu ihren eigenen Inflationsprognosen hat. Deshalb hat ihrer Aussage nach die kurzfristige Inflationsentwicklung einen höheren Einfluss auf die Geldpolitik. Schnabel zufolge könnte die Inflation vorerst weiter steigen. Zudem gibt es nach ihrer Aussage ein erhöhtes Risiko für eine Entankerung der Inflationserwartungen.


   Projektionsmodelle erfassen strukturelle Änderungen nur schwer 

"Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass es jedem Projektionsmodell schwer fallen wird, grundlegende strukturelle Veränderungen im Zusammenhang mit der Pandemie, dem Krieg oder der grünen Wende zu berücksichtigen.", sagte die EZB-Direktorin und fügte hinzu: "Das spricht dafür, den tatsächlichen Inflationsergebnissen bei geldpolitischen Entscheidungen mehr Gewicht zu geben."

Die Inflation war im Juli auf 8,9 Prozent gestiegen und Schnabel will nicht ausschließen, dass das noch nicht der Höhepunkt war. "Ich würde nicht ausschließen, dass die Inflation auf kurze Sicht weiter ansteigen wird", sagte sie. Eurostat veröffentlicht eine erste Schätzung für August am 31. August.

Sorgen macht sich die EZB-Direktorin auch über die Entwicklung der Inflationserwartungen. "Eine Reihe von Indikatoren deutet auf ein erhöhtes Risiko der Entankerung hin", sagte sie. Sie verwies auf die neue Haushaltsumfrage der EZB und auf den Survey of Professional Forecasters, der einen langsamen aber stetigen Anstieg der Inflationserwartungen zeige.

"Was vielleicht am wichtigsten ist: Wir sehen, dass sich der rechte Rand der Verteilungen (der Inflationsprognosen) nach oben verschoben hat, was bedeutet, dass ein zunehmender Anteil der Befragten erwartet, dass die Inflation deutlich über unserem Zielwert liegen wird", sagte sie. Dies werde manchmal als Frühwarnindikator für eine Entankerung angesehen. "Ich denke, es ist sehr wichtig, dass wir solche Anzeichen ernst nehmen."

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

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August 18, 2022 03:58 ET (07:58 GMT)