--Razzia im laufenden Verfahren gegen Verantwortliche der Anti-Geldwäscheeinheit

--Finanzministerium sichert volle Unterstützung zu

--Opposition nutzt Razzia für Angriffe auf SPD-Kanzlerkandidat Scholz

(NEU: Reaktionen der Opposition)

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Die Staatsanwaltschaft Osnabrück hat das Bundesfinanzministerium und das Bundesjustizministerium im Zuge ihres laufenden Ermittlungsverfahrens gegen Verantwortliche der Anti-Geldwäscheeinheit FIU durchsucht. Die Opposition nutzte die Razzia für harte Angriffe auf den Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz.

"In dem Verfahren der Staatsanwaltschaft Osnabrück wegen Strafvereitelung im Amt gegen Verantwortliche der Financial Intelligence Unit (FIU) haben Beamte der Zentralen Kriminalinspektion Osnabrück und der Staatsanwaltschaft Osnabrück heute die Amtsräume des Bundesministeriums der Finanzen und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz durchsucht", teilte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag in einer Pressemitteilung mit.

Das Bundesfinanzministerium erklärte, Ziel der Maßnahme der Staatsanwaltschaft in mehreren Bundesministerien sei "eine erweiterte Sachverhaltsaufklärung". Die Sachverhaltsaufklärung betreffe das für die Zentralstelle zuständige Fachreferat. "Das Bundesministerium der Finanzen unterstützt die Behörden selbstverständlich voll und ganz", betonte die Pressestelle des Ministeriums. Der zugrundeliegende Verdacht richte sich ausdrücklich nicht gegen Beschäftige des Finanzministeriums.

Aus der Opposition kamen aber Vorwürfe an die Adresse des SPD-Kanzlerkandidaten. "Olaf Scholz hat die FIU sehenden Auges vor die Wand gefahren", erklärten Grünen-Finanzsprecherin Lisa Paus und -Innenpolitiksprecherin Irene Mihalic. "Unter Scholz scheint die Fachaufsicht nicht zu funktionieren." Die Integrität der Geldwäschebekämpfung in Deutschland stehe in Frage und damit ein wichtiger Teil der Bekämpfung von Organisierter Kriminalität und Terrorismus. Wir brauchen nun umfassende Aufklärung dieser Vorgänge ohne Rücksicht auf Ämter und Positionen", forderten sie.


   FDP sieht handfesten Skandal 

Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Florian Toncar, nannte es "einen wohl einzigartigen Vorgang", dass die Staatsanwaltschaft das Bundesfinanz- und Justizministerium durchsuche. "Wenn sich die Vorwürfe der Strafvereitelung im Amt gegen Verantwortliche der Financial Intelligence Unit bestätigen, ist das ein handfester Skandal." Klar sei schon jetzt, dass die FIU nach Jahren unter Scholz in einem schlechten Zustand sei, "denn er hat sie wie ein Stiefkind behandelt".

Linke-Fraktionsvize Fabio De Masi erklärte, er habe Scholz seit 2018 aufgefordert, das Chaos bei der FIU zu beenden. "Diese ist ein Sicherheitsrisiko für Deutschland." Auch bei Wirecard habe die FIU Strafvereitelung zu verantworten. "Wer Deutschland führen will, muss den Zoll auf die Reihe bekommen", befand De Masi.

Zuvor hatte der Spiegel unter Verweis auf einen Sprecher der Staatsanwaltschaft berichtet, die Razzia habe um 9.15 Uhr begonnen, vier Beamte der Osnabrücker Polizei und sechs Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft seien im Einsatz. Hintergrund ist ein Ermittlungsverfahren, das seit Februar 2020 läuft. Laut der Mitteilung der Staatsanwaltschaft hatte eine Auswertung von Unterlagen, die bei vorangegangenen Durchsuchungen der FIU gesichert worden waren, ergeben, "dass es zwischen der FIU und den nun durchsuchten Ministerien umfangreiche Kommunikation gab".

Ziel der Durchsuchungen sei es, den Straftatverdacht und insbesondere individuelle Verantwortlichkeiten weiter aufzuklären. "Es soll unter anderem untersucht werden, ob und gegebenenfalls inwieweit die Leitung sowie Verantwortliche der Ministerien sowie vorgesetzte Dienststellen in Entscheidungen der FIU eingebunden waren", erklärte die Staatsanwaltschaft Osnabrück. Sie ermittelt laut den Angaben gegen die beim Zoll angesiedelte Financial Intelligence Unit (FIU), weil durch Banken gefertigte Geldwäsche-Verdachtsmeldungen in Millionenhöhe durch die FIU nicht an Polizei und Justiz weitergeleitet worden seien.


   Verdachtsmeldung nicht weitergeleitet 

Ausgangspunkt der Ermittlungen war demnach eine Verdachtsmeldung einer Bank an die FIU im Juni 2018 über Zahlungen nach Afrika von mehr als 1 Million Euro, "wobei die Bank vermutete, dass Hintergrund der Zahlungen Waffen- und Drogenhandel sowie Terrorismusfinanzierung sei". Die FIU habe diese Meldung zur Kenntnis genommen, sie aber nicht an deutsche Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet, sodass keine Möglichkeit mehr bestanden habe, die Zahlungen aufzuhalten. Die Ermittler gingen auch der Frage nach, "weshalb seit Übernahme der Geldwäschekontrolle durch die FIU die Zahl der Verdachtsmeldungen auf einen Bruchteil zurückgegangen ist".

Das Finanzministerium unterstrich, der Staatsanwaltschaft gehe es in erster Linie um die Identifikation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Zentralstelle in Köln und um Informationen, inwieweit der sogenannte risikobasierte Ansatz der Zentralstelle rechtlich erörtert und abgesichert worden sei. Durch die risikoorientierte Bearbeitung der Verdachtsmeldungen setze die Zentralstelle Schwerpunkte bei der Analyse dieser Verdachtsmeldungen. "Dabei unterzieht die Zentralstelle jede eingehende Meldung einer Erstbewertung und führt Meldungen, die mindestens einem der - aktuell zehn - Risikoschwerpunkte entsprechen, einer vertieften manuellen Analyse zu."

Die Zuständigkeit für die FIU sei in der vergangenen Legislaturperiode durch eine Entscheidung des damaligen Bundesministers Wolfgang Schäuble (CDU) vom Bundeskriminalamt zum Zoll verlagert worden. "Dies hat zu Diskussionen in der Fachöffentlichkeit geführt", erklärte das Ministerium. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) habe seit Übernahme der Amtsgeschäfte dafür gesorgt, dass die FIU durch zusätzliches Personal, erweiterte Kompetenzen und auch technische Verbesserungen gestärkt worden sei. Auch der Leiter der Zentralstelle sei 2018 ausgetauscht worden. Der Personalbestand der FIU sei von anfänglich 165 auf inzwischen 469 Beschäftigte erhöht worden.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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September 09, 2021 09:05 ET (13:05 GMT)