--Ifo-Index sinkt auf 98,8 (Prognose: 98,5) Punkte

--Geschäftslagebeurteilung leidet unter Lieferkettenstörungen

--Volkswirte: Ende der Probleme in der Industrie nicht absehbar

(NEU: Kommentare von Bankvolkswirten)

Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Das Geschäftsklima in Deutschland hat sich im September in etwa wie erwartet eingetrübt, wobei sich die Beurteilung der aktuellen Geschäftslage überraschend verschlechterte. Der vom Ifo-Institut erhobene Geschäftsklimaindex sank auf 98,8 (August: 99,6) Punkte, wie das Ifo-Institut im Ergebnis seiner monatlichen Umfrage mitteilte. Die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte hatten einen Rückgang auf 98,5 Punkte prognostiziert.

Der Index der Geschäftslagebeurteilung ging auf 100,4 (101,4) Punkte zurück, während Volkswirte hatten einen Anstieg auf 101,8 Punkte erwartet hatten. Der Index der Geschäftserwartungen sank auf 97,3 (97,8) Punkte. Erwartet worden waren 96,4 Punkte.

"Die Probleme bei der Beschaffung von Rohstoffen und Vorprodukten bremsen die deutsche Konjunktur, die Industrie erlebt eine Flaschenhals-Rezession", kommentierten die Konjunkturforscher die Daten. Im verarbeitenden Gewerbe fiel der Geschäftsklimaindex deutlich. Die Unternehmen schätzten ihre aktuelle Lage merklich weniger gut ein. Ein stärkerer Rückgang war zuletzt im Mai 2020 beobachtet worden. Auch der große Optimismus bei den Erwartungen aus dem Frühjahr war nahezu verschwunden. "Die Auftragsbücher sind noch immer gut gefüllt, aber die Neubestellungen flachen ab", befand das Ifo-Institut.


KfW: Neue Probleme durch "Zero-Covid"-Politik in China 

Volkswirten zufolge ist ein Ende dieser Probleme nicht absehbar. "Aufgrund der Vielfalt der Störfaktoren ist es derzeit leider sehr schwer abzuschätzen, wann es angebotsseitig zu einer Besserung kommt, zumal etwa durch die strikte 'Zero-Covid'-Politik in China immer wieder neue Probleme in den Lieferketten drohen", schrieb KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib in einem Kommentar.

Nach Einschätzung von ING-Europa-Chefvolkswirt Carsten Brzeski könnten die Lieferkettenstörungen bis zum Sommer nächsten Jahres anhalten. "Das bedeutet aber nicht, dass die deutsche Volkswirtschaft noch ein volles Jahr zu leiden hat", schrieb Brzeski. Vielmehr dürfte die Industrieproduktion unter dem Einfluss der Lieferungen hin und her schwanken. "All dies bedeutet, dass zwei Haupttrends die Wirtschaftsleistung Deutschlands in den nächsten zwölf Monaten prägen werden: Eine Normalisierung der Einzelhandels- und Dienstleistungstätigkeit nach dem ersten Post-Lockdown-Höhepunkt und gleichzeitig ein Anstieg der Industrieproduktion, sobald die Lieferrückstände abgebaut sind", kalkulierte der Ökonom.


   Commerzbank: Merkliche Wachstumsabschwächung im vierten Quartal 

Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen geht davon aus, dass die deutsche Wirtschaft im vierten Quartal merklich an Fahrt verlieren wird. "Die spürbaren Materialengpässe in der Industrie dürften die Industrie in den kommenden Monaten weiter bremsen", schrieb Solveen. Zudem dürfte die Pandemie im Winter einige Dienstleistungsbereiche wieder stärker beeinträchtigen, auch wenn es keinen allgemeinen Lockdown mehr geben werde. Für das dritte Quartal rechnet der Commerzbank-Volkswirt aber noch einmal mit starkem Wachstum.

Im Dienstleistungssektor besserte sich das Geschäftsklima im September. Dies war auf deutlich zuversichtlichere Erwartungen der Unternehmen zurückzuführen. Die aktuelle Lage beurteilten sie jedoch etwas schlechter. Im Gastgewerbe und Tourismus ist nach der großen Skepsis im Vormonat eine gewisse Zuversicht zurückgekehrt. In der Logistik trübten sich die Aussichten hingegen ein, im Gleichklang mit der Industrie.

Im Handel blieb der Index nahezu unverändert. Während die Händler mit ihrer aktuellen Lage etwas zufriedener waren, nahm der Pessimismus mit Blick auf die kommenden Monate etwas zu. Eine große Mehrheit der Händler berichtete von Lieferproblemen bei der Beschaffung. Im Bauhauptgewerbe besserte sich das Geschäftsklima deutlich. Die Beurteilung der aktuellen Lage stieg auf den höchsten Stand seit März 2020. Auch die Erwartungen hellten sich merklich auf.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

DJG/hab/apo

(END) Dow Jones Newswires

September 24, 2021 05:21 ET (09:21 GMT)