--Höhere Ausbauziele für Solar- und Windenergie

--Entlastung für die Industrie bei CO2-Abgabe

--Maßnahmen sollen Energiewende beschleunigen

--Kritik von der Industrie und Umweltverbänden

(Neu: Reaktionen, Details)

Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Union und SPD haben sich nach langem Streit auf einen Kompromiss zum Energie- und Klimapaket geeinigt. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Miersch, sprach von einer "Brücke für einen schnelleren Ausbau" von Ökostrom in die nächste Legislaturperiode hinein, um beim Ausbau keine Zeit zu verlieren. Mit den zusätzlichen Ausbaumengen für die nächsten zwei Jahre gebe die Koalition der Solar- und der Windenergie einen kräftigen Schub. Umweltverbände zeigten sich allerdings enttäuscht. Die Grünen warfen der Koalition ein Scheitern beim Klimaschutz vor.

"Die Novelle des Klimaschutzgesetzes wird die entscheidende Basis für künftige Regierungen sein. Die Debatte über die richtigen Wege und vor allem die Schaffung eines Zukunftspaktes zum verbindlichen Ausbau der erneuerbaren Energien zwischen Bund, Ländern und Kommunen wird die zentrale Aufgabe in den kommenden Monaten sein", so Miersch.

Die Koalition einigte sich darauf, die Ausschreibungsmengen im Jahr 2022 bei Windanlagen an Land um 1,1 Gigawatt (GW) auf 4 GW und bei Photovoltaik um 4,1 GW auf 6 GW anzuheben.

Union und SPD haben sich auch darauf verständigt, dass Kommunen an Photovoltaik-Freiflächen finanziell beteiligt werden können. Davon verspricht sich die Koalition eine größere Akzeptanz für die Anlagen.


  Erleichterungen beim Ersetzen alter Windanlagen 

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Stephan Stracke sagte, auch die Neuregelung für das Repowering von Windkraftanlagen sei ein Erfolg. Denn beim Ersetzen alter Windkraftanlagen sei künftig im Genehmigungsverfahren maßgeblich, ob durch die neue Anlage zusätzliche Belastungen für die Umwelt entstehen. Bislang wurde die Vorbelastung durch die bereits bestehende Windenergieanlage nicht berücksichtigt und viele Projekte wurden dadurch unnötig verhindert. "Wir bringen so das Ziel einer erfolgreichen Energiewende für mehr Klimaschutz sowie den Lärm- und den Artenschutz zu einem pragmatischen Ausgleich", so Stracke.

Die Koalition verständigte sich auch darauf, dass der aus erneuerbaren Energien gewonnene grüne Wasserstoff vollständig von der EEG-Umlage befreit ist. Mit der EEG-Umlage wird der Ausbau der erneuerbaren Energien finanziert. Dies soll dabei helfen, den Markthochlauf von Wasserstoff in Deutschland entscheidend voranzubringen.


Erleichterungen bei der CO2-Abgabe für die Industrie 

Außerdem verständigte sich die Koalition auf Nachbesserungen bei der sogenannten Carbon-Leakage-Verordnung für Unternehmen, um vor allem kleine und mittlere Unternehmen bei der CO2-Abgabe zu entlasten. Unternehmen, die dem Brennstoffemissionshandel unterliegen, erhalten eine finanzielle Kompensation, wenn die CO2-Abgabe zu einer Benachteiligung im grenzüberschreitenden Wettbewerb führt.

Nun ist vorgesehen, dass die Kompensation für die Abgabe auf den Kohlendioxidausstoß (CO2) bei geringerem Energieverbrauch früher einsetzt. Der bislang vorgesehene Selbstbehalt, wo Firmen keine Kompensation gezahlt wird, in Höhe von 150 Tonnen soll in Zukunft nur noch für Unternehmen mit einem jährlichen Gesamtenergieverbrauch fossiler Brennstoffe von mindestens 10 Gigawattstunden gelten. Für Unternehmen mit einem geringeren Verbrauch soll der Selbstbehalt für jede eingesparte 0,2 Gigawattstunde um je 20 Tonnen fallen, heißt es in dem Kompromiss.

Mit der Corbon-Leakage-Verordnung sollen Firmen für die Abgaben auf die fossilen Brennstoffe Gas, Kohle und Öl eine Kompensation erhalten, um nicht gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten, die keine solche CO2-Abgabe zahlen müssen, benachteiligt zu werden. Dies soll zur Vereinbarkeit von Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit beitragen.


Kritik von Industrie und Umweltverbänden 

Trotz dieser Erleichterungen für die Industrie hadert der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) mit der Klimaschutzpolitik der Bundesregierung. Es fehle Planungssicherheit für die Industrie, weil dringend notwendige Richtungsentscheidungen bislang ausgeblieben seien. "Es reicht nicht, Klimaneutralität per Gesetz vorzuschreiben. Die Politik muss auch dringend etwas dafür tun, dass das Ziel erreicht werden kann und politische Entscheidungen treffen", sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisierte das Klimagesetz als halbherzig: "Auch mit der Eckpunkte-Einigung fehlt es an Maßnahmen, die die neuen Klimaschutzziele erreichbar machen. Diese Bundesregierung überlässt diese Aufgabe der nächsten. Damit verliert der Klimaschutz wichtige Monate", erklärte BUND-Vorsitzender Olaf Bandt. Man entlaste die Unternehmen, verständige sich aber nicht auf eine Aufteilung des höheren CO2-Preises zwischen Mietern und Vermietern.

Für Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter besiegelt das Klimaschutzgesetz hingegen das Scheitern der Koalition. "Nie zuvor waren die Dringlichkeit und gleichzeitig die Möglichkeiten, etwas zu tun, größer als jetzt", so Hofreiter. "Und doch schafft die große Koalition nur auf Druck des Bundesverfassungsgerichts höhere Ziele zu beschließen. Bei den Maßnahmen gibt es wieder nicht mehr als ein paar kleine Förderprogramme."

Der Bundestag will am Donnerstag über die Änderungen am Klimaschutzgesetz mit den strengeren Emissionszielen abstimmen. Anschließend muss es den Bundesrat passieren. Deutschland will bereits im Jahr 2045 klimaneutral sein und nicht 2050 wie zuvor beabsichtigt. Damit sind auch weitere Anstrengungen im Ausbau von Wind- und Solarenergie nötig. Bis 2030 müssen die Emissionen um 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 sinken. Für 2040 wird erstmals ein verbindliches Minderungsziel von 88 Prozent im Verglich zu 1990 festgelegt.

Am Mittwoch soll zudem vom Kabinett ein Sofortprogramm für Klimaschutzmaßnahmen im Umfang von 8 Milliarden Euro als Teil des Bundeshaushalts für 2021 verabschiedet werden. Allerdings ist zu erwarten, dass die neue Bundesregierung nach der Bundestagswahl Ende September an diesem Gesetz noch Änderungen vornehmen wird, bevor es an den Bundestag zur Abstimmung geht.

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

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June 22, 2021 11:10 ET (15:10 GMT)