Berlin (Reuters) - Die Wirtschaft in Deutschland und im Euro-Raum hat sich zur Jahresmitte mit Macht aus dem Corona-Klammergriff gelöst.

Der Einkaufsmanagerindex für die deutsche Privatwirtschaft - Industrie und Dienstleister zusammen - stieg im Juni auf 60,4 Punkte von 56,2 Zählern im Mai, wie das Institut IHS Markit am Mittwoch unter Berufung auf seine monatliche Firmen-Umfrage mitteilte. Damit tendiert das Barometer weit jenseits der Wachstumsschwelle von 50 auf dem höchsten Niveau seit März 2011: "Die deutschen Unternehmen bereiten sich damit auf einen Sommer-Boom vor", kommentierte DZ-Bank-Chefökonom Michael Holstein.

Auch in der Euro-Zone herrscht statt Krisenstimmung wieder Zuversicht. Die Lockerungen vom Corona-Lockdown bescherten ihr das kräftigste Wachstum seit 15 Jahren. Der Einkaufsmanagerindex kletterte unerwartet deutlich um 2,1 auf 59,2 Punkte. "Es gibt nur ein Signal, das vom Einkaufsmanagerindex für die Konjunktur ausgeht: Vollgas voraus", konstatierte VP-Bank-Chefökonom Thomas Gitzel. Die Menschen kehrten in die Innenstädte zurück. Und Gastwirte und Hoteliers freuten sich über bessere Umsätze. Im Mittelmeerraum komme zudem der Tourismus in Fahrt.

"INFLATIONSDRUCK WIRD STEIGEN"

Die Konjunkturaussichten sind laut Markit-Chefökonom Chris Williamson somit rosig: Er erwartet "ein beeindruckendes Wachstum" des Bruttoinlandsprodukts im Frühjahr, auf das ein noch stärkeres Wachstum im Sommer-Quartal folgen dürfte. Doch die Kehrseite der Medaille ist demnach, dass die Preise weiter ansteigen dürften. Denn die Unternehmen hätten Schwierigkeiten, die Nachfrage zu befriedigen, da sie unter Engpässen sowohl bei Rohstoffen als auch beim Personal litten. "Unter diesen Bedingungen wird die Preismacht der Unternehmen weiter zunehmen, was den Inflationsdruck in den kommenden Monaten unweigerlich steigen lassen wird."

In Deutschland gab es im Juni laut den Markit-Umfragedaten Rekordsteigerungsraten sowohl bei den Einkaufs- als auch bei den Verkaufspreisen. Das Geschäft brummt wieder. Bei den Dienstleistern fiel die Erholung so stark aus wie seit über zehn Jahren nicht mehr, was zahlreiche Firmen vor allem in den kundennahen Branchen auf die gelockerten Restriktionen zurückführten.

In der Industrie wurde die Produktion wieder stärker hochgefahren. Ausschlaggebend hierfür waren die höheren Auftragszahlen und nachlassende Lieferschwierigkeiten bei Produktionsmaterialien und Komponenten. Lieferengpässe seien zwar immer noch weit verbreitet, so Markit-Experte Phil Smith. Da weniger Firmen von längeren Lieferzeiten und gestiegenen Materialpreisen berichteten, könne dies jedoch als ein erstes Anzeichen dafür gelten, dass das Schlimmste überstanden sei. Die deutsche Industrie ist laut dem Lobbyverband BDI zuversichtlich, dass ihr die Lieferengpässe langfristig keine Probleme bereiten werden.