Berlin (Reuters) - Materialengpässe und hohe Energiepreise haben im Juli auf die deutsche Produktion durchgeschlagen.

Industrie, Bau und Energieversorger stellten zusammen 0,3 Prozent weniger her als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten mit einem etwas kräftigeren Rückgang von 0,5 Prozent gerechnet, nach einem Wachstum von revidiert 0,8 Prozent (bislang: +0,4 Prozent) im Juni. "Die Industrie ist schwach ins dritte Quartal gestartet", räumte das Bundeswirtschaftsministerium ein und erwartet keine rasche Besserung. "Die gedrosselten Gaslieferungen aus Russland und die hohe Unsicherheit durch den Krieg trüben die Aussichten für den Rest des Jahres weiter ein."

Den Statistiker zufolge ist die Produktion nach wie vor durch die hohe Knappheit an Vorprodukten wie Halbleiter beeinträchtigt. "Gestörte Lieferketten infolge des Kriegs in der Ukraine und anhaltende Verwerfungen durch die Corona-Krise führen nach wie vor zu Problemen beim Abarbeiten der Aufträge", hieß es. Einer Umfrage des Ifo-Instituts zufolge nahmen die Klagen in der Industrie über fehlende Vorprodukte und Materialien zuletzt aber ab: Im August berichteten 62 Prozent der Firmen über Engpässe, im Juli waren es noch mehr als 73 Prozent.

Einer Umfrage des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) zufolge sehen mittlerweile mehr als 90 Prozent der Unternehmen in den gestiegenen Preisen für Energie und Rohstoffe eine starke oder sogar existenzielle Herausforderung. "Die Bundesregierung muss schleunigst ein Entlastungsprogramm für die Wirtschaft auf den Weg bringen", forderte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht aber noch weitere Hemmnisse. "Auch Fachkräfteengpässe hindern die Betriebe daran, ihre Aufträge zügig abzuarbeiten", sagte DIHK-Konjunkturexperte Jupp Zenzen. Hinzu kämen die seit dem russischen Krieg in der Ukraine dramatisch gestiegenen Energiepreise. "Gerade in energieintensiven Industrien kommt es teilweise zu Stilllegungen oder Einschränkungen von einzelnen Geschäftsfeldern, weil sich die Produktion betriebswirtschaftlich nicht rechnet", sagte der Experte.

"WIR MÜSSEN ALLES TUN"

Die Industrie allein verringerte ihren Ausstoß im Juli um 1,0 Prozent. Das geht vor allem auf die Fahrzeugindustrie zurück, die ein Minus von 4,6 Prozent meldete. Die Maschinenbauer drosselten ihre Produktion um 1,5 Prozent, ebenso energieintensive Wirtschaftszweige wie die Chemieindustrie (-2,2 Prozent) oder der Bereich Papier und Pappe (-4,3 Prozent). Auch die Nahrungs- und Futtermittel-Produzenten fuhren die Erzeugung mit minus 4,2 Prozent stark zurück. Im Baugewerbe wurde die Produktion dagegen um 1,4 Prozent gesteigert, während die Energieerzeugung um 2,8 Prozent wuchs.

Experten zufolge droht die deutsche Wirtschaft im Herbst angesichts hoher Energiepreise, gestörter Lieferketten und Kaufkraftverlusten in eine Rezession abzurutschen. "Eine Rezession in Deutschland wird in der Folge nicht mehr abzuwenden sein", sagte Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing bei einem "Handelsblatt"-Kongress. Doch die Wirtschaft besitze genug Widerstandskraft, um die Rezession zu bewältigen. "Wir müssen alles tun, damit unsere Autos, Heizungen und Fabriken nicht nur dann laufen, wenn uns ein Autokrat im Kreml gewogen bleibt", sagte Sewing.

(Bericht von Rene Wagner, Marta Orosz, redigiert von Sabine Ehrhardt - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)