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BERLIN/DÜSSELDORF/TÜBINGEN (dpa-AFX) - Angesichts der Ausbreitung des neuen Coronavirus in Europa und Deutschland sieht die Bundesregierung eine "neue Situation". Das Virus sei deutlich nähergerückt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. In Deutschland wurden seit Dienstagabend fünf Fälle bekannt.

Ein Patient in Nordrhein-Westfalen wurde in der Nacht zum Mittwoch in kritischem Zustand auf die Intensivstation der Uniklinik Düsseldorf gebracht, auch bei seiner Frau wurde der Erreger Sars-CoV-2 bestätigt. Nachgewiesen wurde der Erreger auch bei drei Personen aus Baden-Württemberg. Zudem wurden viele weitere Fälle in Asien, Afrika, Südamerika und weiteren europäischen Ländern bekannt.

Der Zustand des 47 Jahre alten Patienten in NRW war am Mittwoch nach Angaben des Gesundheitsministeriums kritisch. Die Uniklinik Düsseldorf behandelte auch seine 46-jährige Frau. Der Mann war am Montag mit Symptomen einer schweren Lungenentzündung in einem Krankenhaus in Erkelenz im Kreis Heinsberg bei Aachen auf der Intensivstation isoliert worden. Nach dpa-Informationen leidet er an einer Vorerkrankung.

Das Ehepaar habe in den vergangenen Tagen mit sehr vielen Menschen Kontakt gehabt, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) in Düsseldorf bei einer Pressekonferenz. Die Frau hat demnach als Kindergärtnerin noch bis Freitag gearbeitet. Die zwei Kinder des Paares zeigten bisher keine Symptome, sagte Laumann. Ein Test solle klären, ob sie infiziert seien. Auch die Kinder in dem Kindergarten, wo die Frau arbeitet, sollten getestet werden. Unklar war, wo sich das Ehepaar infiziert hat.

Unter den Patienten aus Baden-Württemberg war nach Angaben des Gesundheitsministeriums ein 25-Jähriger aus dem Landkreis Göppingen. Er habe sich vermutlich bei einer Reise nach Mailand mit Sars-CoV-2 angesteckt und nach seiner Rückkehr grippeähnliche Symptome entwickelt. Er wird in einer Klinik in Göppingen behandelt. Bei den beiden anderen Fällen handelt es sich nach dpa-Informationen um seine Reisebegleiterin und deren Vater.

In Deutschland waren schon früher Infektionen mit dem Virus Sars-CoV-2, das die Lungenkrankheit Covid-19 auslösen kann, bekannt geworden. Diese Fälle führten aber in den vergangenen zwei Wochen nicht zu weiteren bekannten Ansteckungen.

Unterdessen stieg die Sorge der Bundesbürger, wie Zugriffszahlen auf die Webseiten deutscher Gesundheitsbehörden zeigen. Vor dem Hintergrund des Coronavirus seien die Server überlastet, hieß es am Mittwoch auf Anfrage bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin schrieb auf Twitter: "Der Zugriff auf die RKI-Internetseite ist derzeit eingeschränkt, wegen stark erhöhter Zugriffszahlen." Auch das Bundesgesundheitsministerium hatte am Dienstag auf Twitter von der eingeschränkten Verfügbarkeit der Web-Startseite berichtet.

Unterdessen wurden Fälle aus anderen europäischen Ländern bekannt. Kroatien, Österreich und die Schweiz meldeten am Dienstag Sars-CoV-2-Fälle. In Italien seien 374 Menschen infiziert und davon 12 gestorben, gab der Zivilschutz in Rom bekannt. In Frankreich starb ein 60-jähriger Franzose an Covid-19.

In Spanien, wo es bereits Fälle auf Inseln gegeben hatte, erreichte das Virus das Festland. Am Mittwoch gab es weitere Infektionen in Madrid, Sevilla, Barcelona, Castellón in Ostspanien und auf Teneriffa. Dort wurde ein Hotel mit rund 1000 Touristen - darunter auch Deutsche - praktisch unter Quarantäne gestellt. In Griechenland wurde die erste Infektion bei einer 38-jährigen Frau bestätigt. Sie hatte Norditalien besucht und werde in einer Klinik in Thessaloniki isoliert, teilte das Gesundheitsministerium mit.

In Brasilien wurde am Dienstag in Sao Paulo der erste Fall in Südamerika registriert, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Das Portal "G1" berichtete, der 61-Jährige sei zuvor nach Norditalien gereist. Nach Ägypten meldete mit Algerien das zweite afrikanische Land einen Coronavirus-Fall. Der italienische Patient sei vorige Woche eingereist, teilte das Gesundheitsministerium mit.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte am Dienstagabend, das Fenster, das Afrika zur Vorbereitung auf Erkrankungen habe, schließe sich. "Alle Länder müssen ihre Vorbereitungsmaßnahmen beschleunigen", sagte der WHO-Regionaldirektor für Afrika, Matshidiso Moeti.

Im Iran stieg die Zahl der Covid-19-Toten auf 19, wie ein Sprecher des Gesundheitsministeriums bekanntgab. Demnach wurde das Virus inzwischen bei insgesamt 135 Menschen aus verschiedenen Teilen des Landes bestätigt. In Südkorea kletterte die Zahl der Infektionen um 284 auf rund 1260 - darunter ein Soldat der US-Streitkräfte. Bisher brachten die Behörden zwölf Todesfälle mit dem Virus in Verbindung. Außerhalb von Festlandchina wurden bislang aus rund 40 Ländern und Regionen rund 3000 Infektionen und rund 50 Todesfälle berichtet, so das chinesische Internetunternehmen Tencent.

Angesichts der Entwicklung sagte Regierungssprecher Seibert, bisher sei es gelungen, Infizierte zu isolieren und somit eine Ausbreitung zu verhindern. Die Regierung bereite sich aber auf eine mögliche Zunahme der Fallzahl vor. Eine Expertengruppe mehrerer Bundesministerien wollte demnach am Mittwoch erneut im Kanzleramt zusammenkommen. Mit den Gesundheitsbehörden vor Ort werde geprüft, welche Maßnahmen nötig seien, um das Virus einzudämmen.

So würden etwa Risikogruppen identifiziert, sagte eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums. Auf die Frage, ob die Gesundheitsämter personell besser ausgestattet werden sollten, sagte sie, deren Ausstattung sei Sache der Länder und Kommunen. Mit den Ländern stehen man aber in Kontakt. Vom RKI hieß es, Ziel in Deutschland sei es, eine Erkrankungswelle hinauszuzögern, um zu vermeiden, dass Covid-19 und die derzeitige Grippewelle zusammenfallen.

Der Ursprung des neuen Virus liegt in China. Die Zahl der Todesopfer und Infizierten dort stieg weiter. Wie die Pekinger Gesundheitskommission am Mittwoch mitteilte, starben weitere 52 Menschen an Covid-19. Die Gesamtzahl der Toten in China stieg damit auf 2715. Die Zahl der nachgewiesenen Infektionen kletterte um 406 auf über 78 000. Sämtliche neuen Todesfälle und fast alle neuen Infektionen wurden aus der besonders betroffenen Provinz Hubei gemeldet, wo die Epidemie in der Millionenmetropole Wuhan ausgebrochen war./waw/DP/jha