Der Aufsichtsrat beschloss am Freitag, bis 2023 knapp 44 Milliarden Euro in die Elektromobilität, das autonome Fahren, Mobilitätsdienste und die Digitalisierung zu stecken - zehn Milliarden Euro mehr als VW für den letzten Planungszeitraum bis 2022 angesetzt hatte. "Wir nehmen uns vor, VW zur globalen Nummer eins in der E-Mobilität zu machen", sagte Diess in Wolfsburg. Wegen seiner Größe mit zwölf Marken und dem im Konzern schlummernden Sparpotenzial werde Volkswagen der profitabelste Hersteller von E-Autos sein. Um beim riskanten Umsteuern alle Fäden in der Hand zu haben, übernimmt Diess zusätzlich zu seinen Aufgaben als Konzernchef und Chef der Hauptmarke VW ab Januar auch die Leitung des wichtigen China-Geschäfts.

Das Geld für den größten Umbau in der Konzerngeschichte will sich VW selbst erarbeiten - durch milliardenschwere Sparprogramme bei den einzelnen Marken. Die Kosten sollen auch dadurch gesenkt werden, dass Volkswagen die Produktion von Fahrzeugen mit gleicher Plattform in Werken zusammenlegt. Gleichzeitig werden in den nächsten zwei Jahren die Kosten für die selbstverschuldete Diesel-Krise die Bilanz noch belasten. Dennoch hält der Konzern an seinem Ziel fest, jährlich einen Cash-flow von mindestens zehn Milliarden Euro zu erzielen. Die Elektroautos sollen von Anfang an Gewinn abwerfen, betonte Diess. Allerdings werde es zunächst schwierig, dass übliche bisherige Margenniveau zu halten. Über den gesamten Planungszeitraum gerechnet, wolle Volkswagen eine operative Rendite von sieben Prozent "weitgehend halten", sagte Diess. "Die finanzielle Ausgangslage für den Konzern für die nächsten Jahre ist grundsolide und robust", sagte Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch.

Die drei Werke Emden, Zwickau und Hannover sollen für die Produktion von E-Autos umgerüstet werden. In Zwickau hat dieser Umbau schon begonnen. Der inzwischen wenig gefragte Mittelklassewagen Passat soll aus Emden in das Skoda-Werk Kvasiny in Tschechien verlagert werden. Dadurch soll in der Fabrik in Ostfriesland mit 9000 Beschäftigten Platz geschaffen werden, um in großem Stil E-Autos zu bauen. Auch das VW-Transporterwerk in Hannover soll umgepolt werden. In Osteuropa sucht Volkswagen zudem einen Standort für ein neues Werk, in dem Fahrzeuge gebaut werden sollen, die aus Tschechien verlagert werden.

GESPRÄCHE MIT FORD KOMMEN VORAN

Die Gespräche über eine Kooperation mit dem US-Autobauer Ford bei leichten Nutzfahrzeugen kämen gut voran, sagte Diess weiter. "Unsere beiden Unternehmen ergänzen sich bestens bei Produkten und in den Regionen." Er rechne daher mit signifikanten Synergien. Diess ließ offen, ob VW und Ford auch auf anderen Gebieten zusammenarbeiten werden. Insidern zufolge erstrecken sich die Überlegungen auch auf Elektroautos und autonome Fahrzeugen. Ford-Chef Jim Hackett hatte sich zuletzt allerdings zurückhaltend über eine Ausweitung der Zusammenarbeit mit VW geäußert.[L8N1XQ53Z]

Durch den Umstieg in die Elektromobilität würden auch Arbeitsplätze verloren gehen, sagte VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh. Aber es sei ein Erfolg, dass E-Autos künftig überhaupt in Deutschland produziert würden. Für den Bau eines Elektromotors braucht man weniger Mitarbeiter als für die Herstellung eins Verbrennungsmotors.

Um für die Steigerung der Zahl an Elektroautos die nötige Menge an Energiespeichern zur Verfügung zu haben, denkt VW auch über eine Beteiligung an einer Batteriezellenfertigung nach, wie Diess bestätigte. Bisher bezieht der Konzern seine Batteriezellen von den asiatischen Zulieferern LG Chem, Samsung und CATL, künftig auch von der südkoreanischen SK Innovation. Doch auch die Bundesregierung befürchtet eine zu große Abhängigkeit der deutschen Autobauer von Asien in dieser Technologie - und will deshalb den Aufbau einer Batteriezellen-Produktion in Deutschland fördern.

Osterloh sagte, weltweit würden 18 Batteriefabriken benötigt, wenn Volkswagen die Elektromobilität vorantreibe. Drei davon könnten womöglich in Deutschland entstehen. Der Konzern steht wie andere Autobauer unter Zugzwang, mehr batteriegetriebene Fahrzeuge auf die Straße zu bringen, um die schärferen Klimavorgaben zu erfüllen.

Das Land Niedersachsen als zweitgrößter VW-Eigner begrüßte die Beschlüsse des Aufsichtsrats. Dadurch werde Niedersachsen zu einem Zentrum der Elektromobilität, sagte Ministerpräsident Stephan Weil. Insgesamt würden in Niedersachen bis 2023 mehr als 15 Milliarden Euro investiert. Davon werde ein großer Teil für den Umbau der VW-Werke zu Elektrostandorten genutzt. "Dass eine solche Entwicklung nicht nur Begeisterung auslöst, sondern auch Besorgnis, das versteht sich von selbst." Deswegen begrüße die Landesregierung die Vereinbarungen für eine Beschäftigungsgarantie bis 2028 für Emden und Hannover.

TESLA KASSIERT IN CHINA SCHON ANZAHLUNGEN

VW startet auch in China durch. Zusammen mit ihren chinesischen Partnern wollen die Wolfsburger in der Volksrepublik mehr als vier Milliarden Euro etwa in Elektro-Autos, autonomes Fahren und Mobilitätsdienstleistungen investieren, gab der scheidende VW-China-Chef Jochem Heizmann bekannt. Heizmann geht Anfang nächsten Jahres in den Ruhestand, dann wird das Geschäft auf dem wichtigsten Einzelmarkt von VW zur Chefsache: VW-Konzernchef Diess wird selbst die Leitung übernehmen. "Die chinesische Regierung erwartet, dass die Konzernspitze regelmäßig in China präsent ist", sagte ein VW-Manager. Daher habe man sich zu dieser hochrangigen Besetzung entschieden.

Auch der Elektroauto-Konkurrent Tesla kommt auf dem chinesischen Markt voran: Das US-Unternehmen gab am Freitag bekannt, gegen eine Anzahlung von umgerechnet 1000 Euro könnten Kunden in China ab sofort den Tesla-Wagen Model 3 bestellen. Die ersten Auslieferungen seien für März oder April geplant, sagte Firmenchef Elon Musk.