PEKING (dpa-AFX) - In einem Geheimprozess ist in Peking ein weiterer Kanadier wegen angeblicher Spionage angeklagt worden. Diplomaten aus 26 Ländern, auch aus Deutschland, suchten am Montag vergeblich Zugang zu der Verhandlung im Zweiten Mittleren Volksgericht. Der ehemalige Diplomat Michael Kovrig war neben dem Geschäftsmann Michael Spavor vor gut zwei Jahren in Haft genommen worden.

Diplomaten sehen eine "Vergeltungsaktion" für die Festnahme der Finanzchefin des chinesischen Telekom-Konzerns Huawei, Meng Wanzhou, vor gut zwei Jahren in Kanada. Die Kanadier wurden wenige Tage später festgenommen. Peking wird deshalb "Geiseldiplomatie" vorgeworfen. Zum Zeitpunkt seiner Festnahme arbeitete Kovrig als Experte für die Denkfabrik International Crisis Group in China.

"Er wurde willkürlich inhaftiert", sagte der Geschäftsträger der kanadischen Botschaft in Peking, Jim Nickel, vor dem Gericht vor Journalisten. Auch das Verfahren sei "nicht transparent". "Wir sind sehr beunruhigt deswegen." Der Ausschluss von Diplomaten verstoße gegen internationale Vereinbarungen, die China unterzeichnet habe.

Als Grund habe die chinesische Seite angegeben, dass dies ein "sogenannter Fall von nationaler Sicherheit" sei und deswegen unter Ausschluss der Öffentlichkeit hinter geschlossenen Türen verhandelt werde. Der Geschäftsträger forderte Kovrigs "sofortige Freilassung".

Bereits am Freitag war der kanadische Geschäftsmann Spavor, der in China ein Unternehmen zum Kulturaustausch mit Nordkorea leitete, in der nordostchinesischen Stadt Dandong ebenfalls wegen Spionage vor Gericht gestellt worden. Zuschauer und Diplomaten durften auch an diesem ersten Prozess nicht teilnehmen.

Kanadas Premierminister Justin Trudeau hatte die "willkürlichen Inhaftierungen" und Geheimprozesse als "völlig inakzeptabel" kritisiert. Beiden Angeklagten drohen lange Haftstrafen. Wann die Urteile verkündet werden, ist unklar.

Chinas Außenamtssprecherin Hua Chunying warf die Vorwürfe zurück und sprach von einer "Einmischung in die Souveränität der Justiz Chinas". "Weil es in den Fällen um Staatsgeheimnisse geht, sind die Anhörungen nicht öffentlich." Auch kanadische Gerichte könnten das in solchen Fällen verfügen. "Wir fordern Kanada auf, damit aufzuhören, zweierlei Maß anzulegen."

Auf die Frage, ob die beiden angeklagten Kanadier hoffen könnten, wenn Kanada die Huawei-Finanzchefin nicht an die USA ausliefere, sagte die Sprecherin: "Es ist am dringlichsten, dass Kanada seine Fehler korrigiert, Frau Meng freilässt und ihr erlaubt, nach China zurückzukehren."

Die Tochter des Huawei-Unternehmensgründers Ren Zhengfei wartet in Kanada auf eine Entscheidung über ihre mögliche Auslieferung in die USA. Sie war im Dezember 2018 auf Betreiben der US-Behörden in Vancouver festgenommen worden. Die US-Regierung wirft ihr Bankbetrug im Zusammenhang mit der Umgehung von Sanktionen gegen den Iran vor. Meng steht in Kanada unter Hausarrest.

Guy Saint-Jacques, ehemals kanadischer Botschafter in China, rechnet mit einem Schuldspruch gegen die Kanadier: "Das ist alles abgekartet. Es ist ein Schwindel", sagt er im kanadischen Fernsehen. Kovrigs Frau Vina Nadjibulla sagte: "Egal, was am Montag passiert, Michaels Unschuld steht außer Frage." Es müsse weiter an einer Freilassung gearbeitet werden. "Die Tatsache, dass dies eine ungerechte, willkürliche Inhaftierung ist, wird sich nicht irgendwie ändern."/lw/DP/jha