Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Das sich abzeichnende Kopf-an-Kopfrennen von Union und SPD kennt bereits jetzt einen Verlierer: CDU-Chef Armin Laschet hat für die Unionsparteien ein desaströses Wahlergebnis eingefahren. Mit dem historischen Absturz für CDU und CSU könnte der Union der Verlust des Kanzleramts drohen, in dem Bundeskanzlerin Angela Merkel seit knapp 16 Jahren reagiert.

Jetzt kommt es darauf an, ob Laschet in den Koalitionsverhandlungen überzeugender sein kann als sein Konkurrent Olaf Scholz von der SPD. Anders als der überraschend starke Scholz geht Laschet allerdings geschwächt in die kommenden Monate, in denen in komplizierten Gesprächen die Post-Merkel-Ära verhandelt wird.


   Unbedingter Regierungswille der Union als Stütze 

Schützenhilfe bekommt Laschet von dem unbedingten Willen der Union, auch trotz zunächst unklarer Mehrheitsverhältnisse die kommende Bundesregierung anzuführen. Parteiintern wird es dennoch weiter rumoren - wegen des sich abzeichnenden schlechtesten Ergebnisses seit Bestehen der Bundesrepublik.

Unterschätzen sollte man das Stehvermögen des Rheinländers trotzdem nicht. Laschet gilt als Mann der Mitte, der sich nicht verbiegen lässt.

Als Teamplayer kann er auf den Erfolg seiner von ihm geführten Landesregierung in Nordrhein-Westfalen verweisen. Der Haushalt war vor Beginn der Corona-Krise ausgeglichen. Die üppigen Strukturhilfen des Bundes für den Kohleausstieg in NRW hat Laschet mit ausgehandelt. Die dortige schwarz-gelbe Koalition im Landtag funktioniert trotz der denkbar knappen Mehrheit von nur einer Stimme weitgehend geräuschlos.


   Standfestigkeit und Verlässlichkeit 

In den nun anstehenden komplizierten Koalitionsverhandlungen kann seine Verlässlichkeit und Bereitschaft zum Kompromiss von Vorteil sein und ihm den Schlüssel zum Kanzleramt sichern.

Lachet kann auch eine Eigenschaft helfen, von der er in der Auseinandersetzung mit CSU-Chef Markus Söder um die Unionskanzlerkandidatur und auch im Kampf um den CDU-Vorsitz mit Friedrich Merz profitiert hat: Er lässt sich nicht beirren.

Obwohl Söder die Mehrheit der CDU-Basis hinter sich hatte, schaffte der Bayer es nicht, die CDU-Spitzen gegen Laschet aufzubringen. Der ließ sich nicht in die Ecke treiben. Er blieb nach außen ruhig, brachte die CDU-Gremien mehrheitlich hinter sich und Söder zum Rückzug. Gegen Merz setzte sich Laschet mit einem Kurs des Ausgleiches durch.


Noch nicht fest im Sattel 

Fest im Sattel sitzt er damit aber noch lange nicht. Und das hat nicht nur mit der Koalitionsbereitschaft der anderen Parteien zu tun. Auch innerhalb der Unionsparteien werden nach diesem schlechten Ergebnis die Zweifel an ihrem Spitzenkandidaten nicht verstummen.

Das hat auch mit dessen wankelmütigen Kurs in der Corona-Pandemie und mit dem denkbar schlechten Wahlkampf des 60-jährigen Aacheners zu tun.

Von der bayerischen Schwesterpartei CSU wurde im Sommer gegen Laschet gestichelt, man dürfe nicht im Schlafwagen ins Kanzleramt rollen wollen. Es gab unglückliche Auftritte - sein unangemessenes Lachen während eines Besuchs bei den Flutopfern hat sich ins Gedächtnis der Menschen eingebrannt. Es gab unklare Botschaften - wofür steht Laschet außer, dass er sich in der Erbfolge des CDU-geführten Kanzleramtes sieht und den Teufel von Rot-Rot-Grün an die Wand malt?

Die von ihm beschworene Entfesselung der Wirtschaft klang oftmals wenig inspirierend, so wichtig es in der Sache auch sein mag. Es gab ein von ihm vorgestelltes Zukunftsteam, bei dem abgesehen von dem CDU-Urgestein Friedrich Merz keiner so richtig zu zünden vermag. Und zuletzt hat er bei seiner Stimmabgabe den Stimmzettel falsch gefaltet und dadurch seine eigentlich geheime Wahlentscheidung für die anwesenden Fotografen sichtbar gemacht.


Union wird Zähne zusammenbeißen 

Die Union wird nun dennoch alles dafür tun, um weiterhin die Regierung anzuführen. Hier weiß Laschet CDU und CSU hinter sich. Aber leicht wird es nicht. Laschet muss die Zweifel an seiner Person ausräumen. Zwar wird man vorerst die Zähne zusammenbeißen. Aber wie lange hält der Burgfrieden? Im Koalitionspoker spielt dies der Gegnerseite in die Hände.

Zu viel Kompromissfähigkeit während der Koalitionsverhandlungen wäre daher für den CDU-Chef hinderlich. Laschet wird sich Steuererhöhungen und einer Lockerung der Schuldenbremse, wie von SPD und Grünen gefordert, vehement widersetzen müssen. Beim Klimaschutz wird er sich gegen zu starke Staatseingriffe wehren und auf Wirtschaftsverträglichkeit pochen. Er muss sein ganzes Verhandlungsgeschick unter Beweis stellen, einen für alle Seiten akzeptablen Ausgleich zu erreichen.

Er muss die möglichen Koalitionspartner überzeugen. Aber letztlich muss er auch die eigene Unionsfamilie hinter sich bringen. Und das dürfte nach dem Wahlergebnis ein schönes Stück Arbeit werden.

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September 26, 2021 13:33 ET (17:33 GMT)