FRANKFURT (dpa-AFX) - Am deutschen Aktienmarkt stehen die Flaggen in der neuen Woche weiter auf Sturm. Das neuartige Coronavirus hält die Märkte in Atem. Angesichts der zunehmenden Verbreitung in immer mehr Staaten bleibe die Situation unübersichtlich, konstatierte Analyst Jochen Stanzl vom Handelshaus CMC Marktes. Die Nerven der Anleger lägen blank - da über das Wochenende weitere Warnsignale wie die erweiterten Absperrungen in Norditalien dazukamen, sieht es zum Wochenstart nach der Fortsetzung des Corona-Chrashes aus. Die Ölpreise stürzten ab, Anleihen zogen an und die Aktienmärkte weltweit taumeln weiter.

Der Broker IG taxierte den Dax knapp drei Stunden vor Xetra-Handelsstart auf 10 910 Punkte und damit etwas mehr als 600 Punkte oder rund fünfeinhalb Prozent tiefer als zum Freitagsschluss. Der Leitindex Dax hat bereits in den vergangenen zwei Wochen gut 2000 Punkte verloren. Vor knapp drei Wochen hatte er noch mit 13 795 Punkten einen Rekord erreicht. Dieses Niveau, da braucht es keine Glaskugel, dürfte so schnell erst einmal nicht wieder erreicht werden.

Die Finanzmärkte hätten mittlerweile eine deutliche wirtschaftliche Abschwächung eingepreist, wenn nicht mehr, schrieb Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank. Selbst ein starker US-Arbeitsmarktbericht für Februar vermochte die Anleger vor diesem Hintergrund nicht aus der Deckung zu locken.

Zwar könnten Schnäppchenjäger auch in der neuen Woche für vorübergehende Erholung Sorgen, doch insgesamt werden sich die Anleger wohl auf eine erneut unruhige Woche einstellen müssen. "Solange die globale Corona-Ausbreitung anhält, dürften die Aktienmärkte trotz weiterer Stützungsmaßnahmen seitens der Notenbanken und der Politik weiterhin stark schwanken", sagte der Chefstratege der Münchner Privatbank Merck Finck, Robert Greil.

Wegen der Gefahren für die Wirtschaft durch den Virus-Ausbruch hatte die US-Notenbank ihren Leitzins vor wenigen Tagen in der ersten außerplanmäßigen Aktion seit der Lehman-Pleite 2008 um 0,50 Prozentpunkte gesenkt. Börsianer spekulieren nun, ob, wann und wie weitere Zentralbanken nachziehen. So steht denn auch am Donnerstag der neuen Woche der Leitzinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) besonders im Fokus. Ob sie ihren Einlagensatz für Banken noch einmal weiter senken wird von derzeit minus 0,5 auf minus 0,6 Prozent, ist fraglich.

Marktteilnehmer spekulierten aber darauf, dass die EZB ihr monatliches Anleihekaufvolumen ausweiten und den Banken bei der Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen, die mit den Folgen des Coronavirus zu kämpfen haben, helfen könnte, schrieben die Ökonomen der Landesbank Helaba. Die Erwartungen an die Zentralbanken seien hoch und es dürfte immer schwerer fallen, diese zu erfüllen, hieß es.

Ob Notenbanken-Maßnahmen oder auch milliardenschwere Hilfsprogramme einzelner Länder die Aktienkurse stützen können, ist ebenfalls fraglich, wurden solche Aktionen am Markt zuletzt nämlich teils als Zeichen der Schwäche interpretiert, nach dem Motto: "Dann muss es schlimm sein." Die Experten der St. Galler Kantonalbank Deutschland sehen derweil in der extremen Zunahme der Volatilität auch Positives, denn es eröffneten sich gute Einstiegsmöglichkeiten: "Wer langfristig orientiert ist tut jedenfalls gut daran, sich nicht von der allgemein herrschenden Hektik anstecken zu lassen."

Ungeachtet dessen erwartet DZ-Bank-Ökonom Bielmeier anhaltende Prognoserevisionen der Unternehmen. "Bis sie die aus dem Corona-Virus resultierenden Negativeffekte offenlegen, vergehen wohl noch einige Wochen. Ein Großteil der Folgewirkungen dürfte erst Anfang April nach Abschluss des Jahresauftaktquartals feststehen und bekanntgegeben werden", so Bielmeier.

Gleichwohl dürften sich in der neuen Woche zahlreiche Unternehmen im Zuge der Vorlage ihrer Jahreszahlen zu den Auswirkungen des Virus auf ihre Geschäfte äußern. Aus dem Dax berichtet am Dienstag die Deutsche Post über das abgelaufene Jahr. Bereits vor wenigen Tagen hatten die Bonner ihre Gewinnziele für 2020 wegen der Coronavirus-Epidemie und Sonderbelastungen beim Elektro-Lieferwagen Streetscooter kassiert.

Am Mittwoch rücken die Zahlen des Sportartikelherstellers Adidas in den Blick. Auch die Herzogenauracher hängen stark am China-Geschäft. Der Versorger RWE, dessen Aktien sich in der aktuellen Virus-Krise als vermeintlich defensiver Wert bislang vergleichsweise gut geschlagen haben, ist mit der Vorlage seiner Jahreszahlen am Donnerstag an der Reihe.

Auf die neuesten Verkehrszahlen von Fraport dürften Anleger am Donnerstag achten, bevor der Flughafenbetreiber seine Jahreszahlen dann am Tag darauf vorlegt. Die Sorgen über die wirtschaftlichen Folgen der Virus-Krise belasteten das Papier bereits wie den gesamten Reise- und Freizeitsektor schwer. Fast ein Drittel der Marktkapitalisierung hat Fraport in den zurückliegenden zwei Wochen nun schon eingebüßt.

Bevor Unternehmenszahlen veröffentlicht werden, konnten sich die Anleger schon an diesem Wochenende ein neues Bild von der Wirtschaft in China machen, wo das Coronavirus ja bekanntlich zuerst ausbrach. Wie die Pekinger Zollverwaltung am Samstag mitteilte, sackten Chinas Exporte im Januar und Februar im Vergleich zu den ersten zwei Monaten des Vorjahres um 17,2 Prozent ab. Die Einfuhren gingen um 4 Prozent auf knapp 300 Milliarden Dollar zurück. Insgesamt schrumpfte der Außenhandel damit um 11 Prozent.

Am Montag stehen Daten zur Industrieproduktion in Deutschland auf der Agenda. Ein Ende der Schwächephase sei nicht in Sicht, so die DZ Bank. US-Konjunkturdaten von Interesse sind die Verbraucherpreise für Februar zur Wochenmitte sowie das von der Universität Michigan ermittelte Verbrauchervertrauen für März mit Veröffentlichung am Freitag./ajx/la/mis/edh

--- Von Achim Jüngling, dpa-AFX ---