FRANKFURT (dpa-AFX) - Die rekordverwöhnten Anleger könnten in der neuen Woche einen stärkeren Gegenwind als zuletzt verspüren. Bislang hätten sich die Aktienmärkte zwar nahe ihrer Höchststände wacker geschlagen und damit Herausforderungen wie den schlechten Nachrichten aus Afghanistan, den steigenden Corona-Inzidenzwerten, den Inflationssorgen und auch den rückläufigen Konjunkturindikatoren getrotzt, konstatierte Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. Allerdings fand der Experte mit Blick auf die anstehenden Konjunkturdaten auch mahnende Worte: "Die nächste Woche hat es in sich."

Bereits am Dienstag dürfte sich Kater zufolge beim Einkaufsmanagerindex in China zeigen, welche aktuellen Belastungen aus der fortgesetzten No-Covid-Strategie mit erheblichen Restriktionen schon bei Einzelfällen entstehen. So war jüngst nach der Corona-Infektion eines Arbeiters im Hafen von Ningbo in der chinesischen Provinz Zhejiang zwischenzeitlich ein ganzes Terminal geschlossen worden, was die Befürchtung weiterer Verzögerungen im weltweiten Containerverkehr auslöste.

Ebenfalls am Dienstag werden die Preisdaten für die Eurozone bekannt gegeben, wobei laut Kater mit einem Anstieg der Inflationsrate im August gerechnet wird. Maßgeblich hier seien zwar Basis- und Sondereffekte, doch blieben für die Europäische Zentralbank die Unwägbarkeiten über die weitere Inflationsdynamik unter besonderer Beobachtung.

Jüngst hatte insbesondere die in den Vereinigten Staaten stark gestiegene Inflation Befürchtungen geweckt, dass die US-Notenbank ihre konjunkturstützenden Anleihekäufe schneller als gedacht drosseln könnte. Aktienanleger fürchten ein solches Szenario, da im Zuge einer derartigen geldpolitischen Straffung die Zinsen steigen und alternative Anlageformen wie festverzinsliche Wertpapiere attraktiver werden könnten.

Zuletzt habe der Vorsitzende der US-Notenbank, Jerome Powell, zwar einen Hinweis auf einen möglichen Beginn eines Abschmelzens der Anleihekäufe noch im laufenden Jahr gegeben, hieß es von der Landesbank Baden-Württemberg. Der Fed-Chef habe aber auch klargestellt, dass hiermit kein Signal bezüglich bald steigender Leitzinsen verbunden wäre - stark steigende Corona-Zahlen bildeten ein Risiko für die Wirtschaft.

Die neue Woche schließt mit dem US-Arbeitsmarktbericht, der Auskunft über die marktrelevante Beschäftigungsentwicklung im August gibt. Auch die am Freitag zur Veröffentlichung anstehenden Job-Daten bieten Kater zufolge Raum für Enttäuschungen.

Vor diesem Hintergrund scheine beim deutschen Leitindex Dax der Mitte August erreichte Rekord von gut 16 030 Punkten erst einmal außer Sichtweite, schrieb Analystin Claudia Windt von der Landesbank Helaba. Dabei stünden die bislang erzielten Unternehmensgewinne neuen Rekordständen nicht im Wege. Ganz im Gegenteil: "Die laufende Berichtssaison zeigt, dass die Unternehmen den Einbruch des vergangenen Jahres weit hinter sich gelassen haben."

Mit Blick auf das zweite Halbjahr aber scheint die Skepsis der hiesigen Aktienanleger Windt zufolge durchaus angebracht, da eine Fortsetzung dieser Gewinndynamik vor dem Hintergrund von Lieferengpässen, mehr Infektionen verbunden mit konjunktureller Unsicherheit sowie hoher Inflation eher zweifelhaft sei.

Womöglich könnte laut der Helaba-Expertin diese Gemengelage die deutsche Konjunktur im zweiten Halbjahr beeinträchtigen, wie es der Ifo-Geschäftsklimaindex jüngst bereits angedeutet habe. So hat sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft im August zum zweiten Mal in Folge verschlechtert.

Auch der Aktienstratege Markus Wallner von der Commerzbank wies darauf hin, dass zwar gute Unternehmensergebnisse in letzter Zeit die Aktienkurse vieler deutscher Unternehmen weiter angeschoben hätten. Dieser positive Trend aber dürfte sich im zweiten Halbjahr wohl kaum fortsetzen. Denn der anhaltende Mangel an Halbleitern beziehungsweise weiterhin teure Vorprodukte dürften die Ertragsqualität deutscher Unternehmen mindern und weitere Steigerungen der Ertragsziele in Grenzen halten.

Zudem sollte sich Wallner zufolge ein schwächeres Wachstum der chinesischen Wirtschaft negativ bemerkbar machen, insbesondere bei exportstarken Sektoren wie der Automobilindustrie. Die starke US-Wirtschaft werde dies nur bedingt kompensieren können. Die Abflachung der Gewinndynamik sollte die Aktienkurse stärker schwanken lassen als zuletzt./la/bek/he

--- Von Lutz Alexander, dpa-AFX ---