FRANKFURT (dpa-AFX) - Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat den weltweiten Börsen einen schweren Schlag versetzt. Von Panik ist zwar nichts zu bemerken, die Nervosität ist aber groß. So stieg der VDax als Gradmesser für die Verunsicherung von Anlegern am Tag der Invasion Russlands in die Ukraine auf den höchsten Stand seit Oktober 2020. Verlässliche Prognosen für die kommenden Wochen kommen derzeit dem Lesen von Kaffeesatz gleich. Zum Start in die Woche deuten sich beim Dax deutliche Verluste an, nachdem sich die heftigen Gefechte in der Ukraine in der Nacht zum Montag fortgesetzt haben. Zudem setzte Europäische Union schwerwiegende Sanktionen gegen die russische Zentralbank in Kraft.

"Für Investoren ist jetzt entscheidend, die Gründe für den Krieg zu verstehen", schrieb die kanadische Denkfabrik BCA Research. Russland wolle mit dem Angriff verhindern, dass die Ukraine ein Partner der USA und deren Verbündeter wird. Moskau werde dafür vermutlich einen Marionettenstaat installieren und so auf absehbare Zeit eine Annäherung des Landes an den Westen verhindern. Sollte sich Russland lediglich die Schlüsselregionen der Ukraine einverleiben, dann dürften künftige Regierungen aus Angst vor einem neuerlichen Angriff Russlands kaum Avancen in Richtung Westen unternehmen.

Zu einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen der Nato und Russland werde es nicht kommen. "Wegen der Gefahr einer gegenseitigen nuklearen Vernichtung ist eine solche Eskalation unwahrscheinlich", heißt es in der Studie. Die USA und Russland blickten auf eine 73 Jahre lange Geschichte der Vermeidung eines direkten militärischen Konflikts zurück. Washington und die Europäische Union dürften es bei weitreichenden Sanktionen gegen Russland belassen.

Diese Sanktionen dürften aber russische Exporte von Energieträgern nach Europa nicht umfassen. Hierin liege für die Investoren das bei weitem größte Risiko im Zusammenhang mit dem Konflikt: "Ein europäischer Boykott oder ein russisches Embargo würden eine Rezession in Europa auslösen. Mit einer Rezession würden die politischen Führungen in Europa in den kommenden Jahren ihre Macht verlieren". Darum werde Europa diese Option nicht ziehen. Selbst die USA seien anfällig für Preisschocks an den Energiemärkten, nicht zuletzt mit Blick auf die Zwischenwahlen in den USA im November.

In Bezug auf die Börsen dürfte der Konflikt zwischen Russland und Europa bedeuten, dass sich europäische Aktien zumindest auf kurze Sicht schlechter schlagen als andere Märkte, prognostiziert BCA Research. Vor allem die Gaspreise dürften hoch bleiben und die Wirtschaft belasten. Das gelte vor allem für Deutschland und Italien, die auf russisches Gas besonders angewiesen seien. Eine Reduzierung dieser Abhängigkeit benötige Zeit. Mit Blick auf die Sektoren belasteten hohe Energiepreise vor allem die Industrie, die im Dax stark vertreten ist. Der Bankensektor dürfte zudem von der Aussicht auf weiter niedrige Zinsen leiden.

Neben dem Krieg in der Ukraine und den Folgen werden die Anleger auch in der neuen Woche auf die Quartalsberichte der Unternehmen schauen. Mehrere Dax-Konzerne wie Bayer, Covestro, Beiersdorf und Merck KGaA öffnen ihre Bücher.

Auch zur Konjunktur stehen in der neuen Woche wichtige Veröffentlichungen an, allen voran der Arbeitsmarktbericht für den Februar aus den USA am Freitag. Hinzu kommen Umfragen unter Einkaufsmanagern Chinas, Europas und den USA. Auch der Konjunkturbericht der US-Notenbank Fed, genannt Beige Book, dürfte einen Blick wert sein, nicht zuletzt angesichts der hohen Inflation in den USA./bek/ajx/he

--- Von Benjamin Krieger, dpa-AFX ---