Zürich (awp) - Das Jahr 2021 wird das Jahr der wirtschaftlichen Erholung nach dem Einbruch in der Coronakrise. Darin sind sich die Schweizer Ökonomen einig. Ob es kommendes Jahr im gleichen Tempo weitergeht, ist hingegen nicht so eindeutig.

Die Schweizer Wirtschaft ist 2020 wegen Corona so stark eingebrochen wie nie mehr seit Mitte der 70er Jahre im Zuge der damaligen Ölkrise. Die hiesige Wirtschaft schrumpfte im "Corona-Jahr" um 2,6 Prozent.

Mit den Lockerungen der Corona-Massnahmen zeichnet nun sich eine schwungvolle Erholung der Schweizer Wirtschaft ab. Am Dienstag veranschlagten die Experten der Credit Suisse das Wachstum des realen Bruttoinlandproduktes (BIP) für 2021 auf 3,5 Prozent, jene des Bundes gar auf 3,8 Prozent.

So weit herrscht also Einigkeit. Anders sieht es allerdings für 2022 aus. Während die Seco-Ökonomen für das kommende Jahr ein überdurchschnittliches BIP-Wachstum von 3,5 Prozent vorhersehen, sagen die CS-Experten eine nachlassende "Dynamik" voraus. Ihre BIP-Prognose für 2022 lautet "nur" auf plus 2,0 Prozent.

Nachholkäufe

Der Hund liegt nicht zuletzt beim privaten Konsum begraben, weil viele Konsumenten während den beiden Lockdowns etwas zur Seite legen konnten. In den letzten 15 Monaten fiel doch die eine oder andere geplante Fernreise weg, Restaurantbesuche waren während Monaten nicht möglich und einige stellten grössere Anschaffungen wegen der unsicheren Job-Situation zurück.

Mit der Wiedereröffnung grosser Teile der Wirtschaft kommt es nun zu "Nachholkäufen", die als Beschleuniger des Wirtschaftswachstums wirken. Zur Erinnerung: Während des "harten" Lockdown im Frühjahr 2020 stand rund ein Drittel aller konsumierbaren Güter und Dienstleistungen gar nicht zur Verfügung.

Sparen oder nicht?

Nach Auffassung der Credit Suisse werden diese "Nachholeffekte" aber zunehmend entfallen. Deren Ökonomen schätzen, dass Herr und Frau Schweizer rund 30 Prozent ihrer Lockdown-Ersparnisse in "Vorsichtsersparnisse" umwandeln. Das heisst, diese Gelder fliessen nicht in den Konsum, sondern werden als willkommene Reserve für allfällig schwierige Zeiten auf die hohe Kante gelegt.

Die Expertengruppe des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) denkt ebenfalls, dass sich die Dynamik 2022 im Inland allmählich normalisieren dürfte, argumentiert aber vor allem mit dem Aussenhandel, der die Schweizer Wirtschaft 2022 anschieben werde. Insbesondere der Tourismus werde Fahrt aufnehmen.

Die Sparneigung der Konsumenten beleuchtet das Seco derweil nur in einem Nebenszenario. Die teilweise Verwendung der "erheblichen zusätzlichen Ersparnisse" für Konsumausgaben werden nur in diesem Drehbuch durchgespielt. Das Ergebnis: Ein noch höheres BIP-Wachstum in 2021 und 2022.

Es scheint also auf die Frage herauszulaufen, ob der Bedarf nach "Nachholkonsum" oder die Sparmentalität hierzulande die Oberhand haben werden. Oder aus der Optik der Prognostiker: Wer die Mentalität von Herrn und Frau Schweizer besser einschätzen kann.

ra/rw