Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Die Unionsparteien sind von der Wirtschaft für die im Wahlprogramm vorgeschlagenen Erleichterungen bei der Unternehmenssteuer und bei der Bürokratie gelobt worden. CDU-Chef Armin Laschet hatte zuvor das gemeinsame Wahlprogramm von CDU und CSU in Berlin vorgestellt. Kritik kam allerdings von den Sozialverbänden, die der Union Wahlkampfgeschenke an Firmen und Besserverdienende vorwarfen, während der ärmere Teil der Gesellschaft das Nachsehen habe.

Zustimmung zum Wahlprogramm gab es von Unternehmensverbänden. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) sieht darin viele gute Elemente für eine zukunftsorientierte Industriepolitik. Das Ziel der Union, die Wirtschaft zu entfesseln, bewertete VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup als "richtigen Ansatz", um durch nachhaltiges Wachstum gemeinsam mit der Industrie ein klimaneutrales Deutschland zu realisieren.

"Wegweisend hierfür ist das im Programm geforderte Planungsmodernisierungsgesetz. Aber auch mit den weiteren Vorhaben zum Bürokratieabbau, zur Innovationsförderung und zur Unternehmensbesteuerung stellt die Union die Weichen in Richtung wettbewerbsfähige Zukunft des Standortes", so Entrup. Auch die Steuererleichterungen bewertete Entrup positiv.

Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik, erklärte, das Wahlprogramm der Union komme bei den Familienunternehmern gut an. "Der Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet zeigt, dass er es ernst meint mit dem wirtschaftspolitischen Neuanfang", so Kirchdörfer. "Ermutigend ist, dass die Union mit niedrigeren Unternehmenssteuern und einem Entfesselungspaket den Turbo für mehr Investitionen einlegt. Wir benötigen dringend eine wachstumsfreundliche Politik."


Fragezeichen bei der Finanzierbarkeit 

Das Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hat errechnet, dass die Wahlversprechen der Union rund 100 Milliarden Euro kosten würden. Die Union selbst hat keine Schätzung vorgelegt. IW-Chef Michael Hüther kritisierte, es gebe keine Hinweise, wie die Tilgung der Corona-Schulden getätigt werden sollten. "Der Satz 'Deshalb werden wir noch stärker bestehende und künftige Ausgaben auf ihre Effizienz hin überprüfen und, wenn nötig, streichen' klingt nett, leistet aber keinen auch nur annähernd relevanten Konsolidierungsbeitrag", sagte Hüther den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Es finde sich im Programm auch kein Bezug zu den aktuellen Debatten zur Tilgung der Corona-Schulden und eine Lösung für die Finanzierung der benannten Investitionen. "Das ist enttäuschend, denn die sicher über 100 Milliarden Euro finanzstarken Versprechen bleiben so unrealistisch", so Hüther.


Wohlfahrtsverband: Programm für Firmen und Besserverdiener 

Der Paritätische Wohlfahrtsverband warf der Union vor, mit ihrem Wahlprogramm sozial- und arbeitsmarktpolitisch im Wesentlichen auf ein Weiter so zu setzen. Von den Versprechen im Programm würden vor allem Wirtschaftsunternehmen und Haushalte mit höheren Einkommen profitieren. "Es fehlen überzeugende Konzepte zur notwenigen Stärkung der gesetzlichen Rente ebenso wie zur dringenden Stärkung der Arbeitslosenversicherung", sagte der Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse werde ebenso wenig etwas getan wie gegen die "eklatante Unterbezahlung" im Niedriglohnsektor, kritisierte Schneider. "Statt Antworten zu geben auf den höchsten Armutsstand seit der Wiedervereinigung und die tiefe soziale Verunsicherung und Abstiegsängste von Millionen von Bürgern wird das Bild einer heilen Welt gezeichnet, in der es allen gut gehe", sagte Schneider.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz warf der Union vor, dass sie mit den Plänen "Steuersenkungen für Spitzenverdiener, sehr reiche Leute und sehr gut verdienende Unternehmen" verkünde. "Das ist nicht nur mathematischer Unfug, das ist auch unmoralisch", sagte Scholz, der auch Bundesfinanzminister ist, zur Bild-Zeitung.

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

DJG/aat/apo

(END) Dow Jones Newswires

June 21, 2021 08:55 ET (12:55 GMT)