Rückblick: Panik im Frühling

Erinnern Sie sich? Nicht an den letzten Sommer, sondern an das, was vor kaum zwei Monaten geschah. Damals präsentierte der US-Präsident seine neue Strategie der „gegenseitigen Zölle“ – und die Finanzwelt rang kollektiv nach Luft. Banken und Brokerhäuser überboten sich mit Research-Papieren, in denen sie den Einfluss dieser Maßnahmen auf das US-BIP, die Verbraucherpreise und den Welthandel zu quantifizieren versuchten. Dass Donald Trump, ein bekennender Anhänger der Zuckerbrot-und-Peitsche-Taktik, nie wirklich vorhatte, sämtliche angekündigten Zölle umzusetzen, sondern vielmehr Verhandlungsspielräume erzwingen wollte – dieser Gedanke wurde dabei großzügig ignoriert.

Wirtschaftsdaten geben Entwarnung – vorerst

Die jüngsten Zahlen zu Verbraucher- und Erzeugerpreisen lagen unter den Erwartungen. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass Einzelhändler zunächst ihre Lagerbestände abbauen, die sie vor Inkrafttreten der Zölle angelegt haben. Die gegenwärtigen Preisindikatoren könnten demnach die neuen Handelsbarrieren noch nicht widerspiegeln.

Ein belastbares Bild dürfte sich frühestens Anfang Juli – spätestens jedoch im August – ergeben. Dann wird sich zeigen, ob Importeure und Exporteure die zusätzlichen Kosten aus den neuen Zöllen ganz oder teilweise selbst tragen oder an die Endverbraucher weitergeben. Ziel dieser Maßnahmen ist es bekanntlich, das chronische US-Leistungsbilanzdefizit zu verringern und dem Aufwertungsdruck auf den Dollar entgegenzuwirken.

Eine riskante Gratwanderung

Doch diese Strategie birgt Gefahren: Die Handelsüberschüsse anderer Länder wurden bislang oft dazu genutzt, US-Staatsanleihen zu kaufen. Weniger Exportüberschüsse in US-Dollar bedeuten also auch weniger Nachfrage nach amerikanischen Schuldtiteln – ein Problem angesichts der gigantischen Refinanzierungsbedarfe der Vereinigten Staaten in den kommenden zwei Jahren.

Die fiskalpolitische Flanke bietet dabei wenig Entlastung. Vom sogenannten „BBB“ – dem Big Beautiful Bill – sind keine Wunder zu erwarten. Zwar sieht er großzügige Steuersenkungen vor, deren wachstumsstimulierende Wirkung aber frühestens in zwei bis drei Jahren greifen dürfte. Was fehlt, ist die oft beschworene, aber realpolitisch ausgebliebene Ausgabendisziplin – trotz lautstarkem PR-Trommelwirbel rund um den sogenannten DOGE.

Historisch betrachtet war nachhaltiges Wirtschaftswachstum stets das Resultat einer Kombination aus Steuersenkungen und staatlicher Ausgabenkürzungen. Letztere scheinen aktuell aber vom politischen Radar verschwunden zu sein.

Der Blick richtet sich auf den Anleihemarkt

Angesichts dessen ist mit einer erhöhten Nervosität am Rentenmarkt zu rechnen. Fest steht: Nur das Versprechen attraktiver Renditen wird zurückhaltende Investoren dazu bewegen, amerikanische Anleihen in ausreichendem Maße zu zeichnen. Bleibt diese Voraussetzung aus, droht die Maschine zu stottern – es sei denn, die strukturellen Probleme werden rasch angegangen.

Fazit: Es ist höchste Zeit – falls nicht längst geschehen –, die kommenden Auktionen von Staatsanleihen genau zu beobachten. Nicht nur in den USA, sondern auch in anderen entwickelten Volkswirtschaften, um frühzeitig etwaige Störsignale zu erkennen. Und ein aufmerksames Ohr für die nächsten Reden von Jerome Powell über den Zustand der US-Wirtschaft und die Ausrichtung der Geldpolitik kann dabei ebenfalls nicht schaden.