Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat bei seinen Beratungen am 28. und 29. Oktober das Risiko gesehen, dass sich die Wirtschaft des Euroraums wegen der zweiten Corona-Welle nicht im Einklang mit dem Basisszenario vom beispiellosen Einbruch des Frühjahrs erholen wird. Deshalb gab es in dem Gremium weithin Einigkeit darüber, dass den Finanzmärkten die Notwendigkeit einer Rekalibrierung der Geldpolitik signalisiert werden sollte, ohne dabei spezielle Instrumente hervorzuheben. Das geht aus dem jetzt veröffentlichten Protokoll dieser Beratungen hervor.

Zugleich betonte der Rat die Schlüsselrolle, die die Fiskalpoliitk in der aktuellen Lage spielen müsse. Er empfahl aber einen Hinweis darauf, dass die Geldpolitik Hindernisse gegen eine fiskalische Expansion beseitige, indem sie für günstige Finanzierungsbedingungen und funktionierende Finanzmärkte sorge.

"Die Mitglieder waren der Ansicht, dass Eindämmungsmaßnahmen künftig strenger ausfallen und länger als bisher erwartet währen könnten", heißt es in dem Dokument. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es im Winter zu einer Aufeinanderfolge mehrerer Wellenbrecher-Lockdowns komme. "Im Ergebnis könnte der Wachstumspfad steiniger als bisher angenommen werden", warnte der Rat in seinen Beratungen. Zuvor hatte Chefvolkswirt Philip Lane darauf hingewiesen, dass sich die Wachstums- und Inflationsaussichten schwächer als in den September-Projektionen vorgesehen darstellten.

Seitdem haben viele Regierungen tatsächlich neue, wenn auch mildere Lockdowns verhängt. In Deutschland wurden sie zuletzt etwas verschärft, in Frankreich dagegen gelockert.

Positiv vermerkte der Rat, dass sich die Finanzierungsbedingungen seit September verbessert hätten, dass die Inflationserwartungen zwar niedrig, aber stabil seien und dass der Euro nicht weiter aufgewertet habe.

An den Finanzmärkten ist seit der Ratssitzung im Oktober eine geldpolitische Lockerung im Dezember eingepreist. Seither bekannt gewordene Äußerungen von EZB-Offiziellen inklusive Präsidentin Lagarde sprechen dafür, dass die EZB am 10. Dezember ihr Pandemiekaufprogramm PEPP um etwa 500 Milliarden Euro aufstocken und bis Ende 2021 verlängern wird. Zudem wird erwartet, dass die EZB die Konditionen der TLTRO-Langfristtender noch attraktiver gestaltet.

Eine Senkung des Einlagenzinses wird dagegen für eher unwahrscheinlich gehalten. Tatsächlich wird er im Protokoll im Gegensatz zum PEPP und zu TLTROs überhaupt nicht erwähnt.

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November 26, 2020 08:30 ET (13:30 GMT)