FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Lufthansa kann ihre Vormacht unter Europas Airlines nicht für einen richtigen Höhenflug nutzen. Der Gewinn schmilzt dahin, der Hoffnungsträger Eurowings schreibt rote Zahlen, und die Aktie kam jüngst wieder unter Druck. Gerade erst verordnete Vorstandschef Carsten Spohr mehreren Konzerntöchtern neue Sparprogramme. Außerdem sorgt zum Jahresende die Kabinengewerkschaft Ufo wieder einmal mit einem Streik für Ärger. Was bei der Lufthansa los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEIM UNTERNEHMEN:

Noch vor zwei Jahren schien es, als sei Lufthansa-Chef Carsten Spohr sein Meisterstück gelungen. Die einstige Rivalin Air Berlin war pleite, und Eurowings verleibte sich den Löwenanteil von deren Geschäft ein. Doch was als Geschenk des Himmels erschien, wurde bald zur Last. Eurowings flog 2018 und 2019 in die roten Zahlen. Im Juni musste Spohr sogar das Gewinnziel des Lufthansa-Konzerns kappen. Der operative Gewinn (bereinigtes Ebit) soll 2019 jetzt nur noch 2,0 bis 2,4 Milliarden Euro erreichen. Analysten erwarten im Schnitt gerade noch gut 2 Milliarden. Das wäre fast ein Drittel weniger als im Rekordjahr 2017.

Jetzt wird Eurowings umgekrempelt, die Betriebskosten müssen runter. Ihr verlustreiches Langstreckengeschäft muss sie an die Mutter abgeben, die Kurz- und Mittelstreckenflotte soll auf etwa 120 Maschinen schrumpfen. Eurowings-Chef Thorsten Dirks gibt die Führung an Jens Bischof ab, der bisher den Ferienflieger Sunexpress führt. Bischof soll Eurowings bis 2021 im operativen Geschäft über die Gewinnschwelle bringen.

Das hätte sein Vorgänger ursprünglich schon 2019 schaffen sollen. Doch die Kampfpreise, mit denen Billigflieger wie Easyjet und Ryanair samt Laudamotion um Passagiere buhlen, hinterlassen auch bei Eurowings Spuren in der Bilanz. Inzwischen verkleinert Eurowings freiwillig sein Flugangebot.

Derweil setzt Lufthansa-Chef Spohr auch bei den Konzerntöchtern Austrian, Brussels und Lufthansa Cargo den Rotstift an. Bei Austrian fallen 700 bis 800 Jobs weg. Und die Frachtsparte soll künftig nur noch mit halb so vielen, dafür aber größeren und sparsameren Jets abheben.

Beim Catering wagt Spohr sogar den klaren Schnitt: Der Konzern verkauft seine Bordverpflegungssparte LSG Sky Chefs. Das Europa-Geschäft geht für einen nicht genannten Preis an den Konkurrenten Gategroup, die restlichen Teile will die Lufthansa im neuen Jahr anderweitig abstoßen. Ohne Ärger geht das schon jetzt nicht. Vor Weihnachten wurde ein geplanter Streik der LSG-Mitarbeiter erst in letzter Minute von den Arbeitsgerichten gestoppt.

Konnte Spohr zwischenzeitlich froh sein, dass im Dauerkonflikt mit der Flugbegleitergewerkschaft Ufo nach zwei Streiktagen eine Schlichtung eingeleitet wurde, stehen jetzt wieder Streiks bevor. Die Gewerkschaft will an diesem Freitag über die konkreten Streikpläne informieren. Bisher hatte sie lediglich bestätigt, dass es Streiks noch in diesem Jahr geben werde. Ufo möchte um 17.00 Uhr auf dem YouTube-Kanal der Gewerkschaft über die konkreten Zeiten des Streikaufrufs informieren. Auch soll es dann Informationen geben, welche Teile des Konzerns bestreikt werden sollen.

Die Gewerkschaft hatte ihren Mitgliedern mitgeteilt, es habe über die Weihnachtsfeiertage weitere Versuche der Schlichter für kurzfristige Lösungen gegeben. Diese Versuche seien erfolglos geblieben. "Wir als Lufthansa schauen konstruktiv nach vorne", sagte ein Lufthansa-Sprecher. Der Konzern sei weiter an einer großen Schlichtung interessiert. "Streiks sind aus unserer Sicht keine Lösung", ergänzte der Sprecher. Die Lufthansa schaue nun auf die vorgeschlagenen Schlichtungstermine im Januar.

Derweil plant die Lufthansa-Führung auch etwas für den Aktienkurs zu tun. So will sich der Konzern stärker für ausländische Anteilseigner öffnen. Bisher muss die Lufthansa nachweisen, dass sie mehrheitlich im Besitz deutscher Aktionäre ist, um ihre Verkehrsrechte zu behalten. Nun könnte sie das Passagiergeschäft ihrer Kernmarke in eine Stiftung überführen - wie schon bei den Auslandstöchtern Austrian und Swiss. Dann dürften sich mehr ausländische Aktionäre am Lufthansa-Konzern beteiligen, dessen Dachgesellschaft dann eine Holding wäre.

Einen großen Interessenten gibt es schon. "Wenn es eine Möglichkeit gibt, in Lufthansa zu investieren, dann würden wir das gern machen", hatte der Chef der katarischen Fluggesellschaft Qatar Airways, Akbar Al-Baker, Anfang Dezember gesagt. Derzeit ist die Lufthansa günstig zu haben: An der Börse ist sie nur noch rund acht Milliarden Euro wert, gerade mal halb so viel wie Ryanair.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Ob man als Aktionär Freude an der Lufthansa hat, hängt davon ab, wann man die Papiere in sein Depot gelegt hat. Wer im Zuge der Air-Berlin-Übernahme bei dem Kranich-Konzern eingestiegen ist, erlebte seither sein blaues Wunder. Denn von dem Anfang 2018 erreichten Rekordhoch von 31,26 Euro hat sich die Aktie seither - abgesehen von kleinen Erholungsversuchen - immer weiter entfernt.

Gehörte das Papier schon 2018 mit einem Minus von rund 36 Prozent zu den großen Verlierern im Dax, wurde sein Kursverlust von bisher etwas mehr als 16 Prozent im Jahr 2019 im Leitindex nur noch von der Aktie von Wirecard übertroffen. Und das in einem Jahr, in dem der Dax bis zwei Handelstage vor Jahresende um rund ein Viertel zulegte.

Nach den jüngsten Verlusten ist die Lufthansa an der Börse nur noch knapp acht Milliarden Euro wert und liegt damit auch in dieser Kategorie gemeinsam mit Covestro am Dax-Ende - selbst im MDax, dem kleinen Bruder des Dax, läge die Lufthansa damit nicht in der Top Ten.

Im europäischen Branchenindex der Reise- und Luftfahrtbranche ist die Lufthansa-Aktie in diesem Jahr sogar das Schlusslicht. Zum Vergleich: Die Papiere der Billigflieger Ryanair und Easyjet legten um 35 Prozent beziehungsweise 28 Prozent zu, und die Papiere der British-Airways-Mutter IAG und der französisch-niederländischen Air France-KLM konnten immerhin leicht zulegen.

Andererseits: Wer als Anleger vor drei Jahren bei der Lufthansa eingestiegen ist, hat seither einen Kursgewinn von knapp 30 Prozent eingefahren. Für die Ryanair-Papiere ging es in diesem Zeitraum dagegen leicht abwärts.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Bei der Lufthansa-Aktie sind die Einschätzungen von Branchenexperten insgesamt weder Fisch noch Fleisch. Von den 17 Analysten im dpa-AFX Analyser, die ihre Einstufungen seit der Gewinnwarnung im Sommer aktualisiert haben, empfiehlt etwa die Hälfte, die Aktie zu halten. Jeweils vier raten zum Kauf und Verkauf.

Im Schnitt trauen sie dem Papier einen Kurs von rund 16,60 Euro zu und liegen damit praktisch auf Höhe des jüngsten Börsenkurses. Alle Experten halten es für illusorisch, dass die Aktie in absehbarer Zeit wieder in die Nähe ihres Rekordhochs kommt. Selbst die optimistischen Analysten liegen mit ihren Kurszielen rund ein Drittel unterhalb des Höchstkurses von Anfang 2018.

Daniel Roeska vom Analysehaus Bernstein schätzt die Aussichten für europäische Fluggesellschaften dennoch positiv ein. Für die Lufthansa-Aktie seien die Kapazitätslage über den Winter und die Kostensenkungen bei Eurowings günstig, schrieb er kurz vor Weihnachten. Die Berufung von Jens Bischof zum Chef von Eurowings wertet er als gute Wahl und hilfreich für die Billigtochter. Analyst Neil Glynn von der Schweizer Bank Credit Suisse sieht dadurch auch die Ambitionen der Lufthansa-Führung bestätigt, Margen und Erträge zu steigern.

Der Verkauf der Cateringsparte LSG Sky Chefs kommt zudem bei Commerzbank-Analyst Malte Schulz gut an. Das Geschäft mit der Bordverpflegung sei schwierig, schrieb er. Ein Großer dieser Branche wie Gategroup könne das Geschäft besser fortentwickeln./stw/kro/zb/mis